4 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
06. Oktober 2021
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
Moderne Brahmsklänge aus Köln
Eine überaus erfreuliche Gesamtaufnahme der Brahms-Sinfonien als Mitschnitte öffentlicher Konzerte des WDR-Sinfonieorchesters mit seinem langjährigen Chefdirigenten Jukka-Pekka Saraste, die durchweg musikalisch wie stilistisch in sich stimmig überzeugt.
Die Tempi, stringent und ausgewogen, auf der eher schnelleren Seite (z.B das Pauken-Intro der Ersten, das 'poco allegretto' der Driitten, ohne Rasanzextreme), so wie die schlüssigen Temporelationen der einzelnen Sätze klingen überlegt und gut disponiert und immer angemessen, auch dynamisch wohl proportioniert wie aus einem Guss.
Selten habe ich eine derart runde Brahms-Interpretation gehört, seit dem in seiner immer präferierten understatement-Diktion ähnlichen Kempe wie auch später Wand oder, früher, dem späten (und allzu) strengen Klemperer.
Sarastes Aufnahmen gewinnen ihre Spannung aus einem forwärts belebt phrasierten musikalischen Fluss, der a-tempo nicht ins Stocken kommt durch eigenwillige oder akzentuierende Stauch- vv. Dehn-ungen und Beschleunigungen oder bedeutungshaftes Auftrumpfen wie letztlich so unangemessen bei Barenboim mit seiner Berliner Staatskapelle.
Saraste deutet nichts Aussermusikalisches, sondern den brahmschen Text, der bedeutsam genug ist.
Im Detail vermisst man vergleichsweise ev. die speziellen Kleiber-Raffinessen seiner Phrasierungen, Abbados scrupulös und agogisch subtil ausgesungene Reprisen (2te, 3te) oder Klemperers durchweg herrisch konturierte Klanggestalt, so einen offenbaren Effekt, was sicherlich der insgesamt leicht diffusen, nicht immer detailfreudig fokussierten Aufnahmetechnik zu schulden ist, was dann stellenweise etwas pauschal, jedoch nicht verwaschen klingt. Die Rundfunktechnik - analog hin, digital her - hat immer noch den gemeinen Radiohörer im Sinn, der Raumklang bzw. Surround mit HiFi verwechselt, Hauptsache man erkennt das Stück Musik. Wie auch immer, eine höchst respektable und empfehlenswerte, moderne Kölner WDR-Brahms-Produktion.