5 von 5
macbessert
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Alter:
45 bis 54
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Geschlecht:
Männlich:
11. Oktober 2012
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Seelenverwandt
Von der Fachpresse wurden sie nach ersten gemeinsamen Auftritten bereits als musikalisches dream team gefeiert. Nun ist das ersehnte Album „Duo“ von Hélène Grimaud und Sol Gabetta erschienen. Und in der Tat: Da ist ein bemerkenswertes künstlerisches Einverständnis zu hören und zu spüren – interpretatorisch, philosophisch, menschlich.
Grimaud und Gabetta präsentieren vier bedeutende Werke für Klavier und Violoncello, entstanden zwischen 1849 und 1934 – ein originelles und spannendes Programm mit einem enormen emotionalen Ausdrucksspektrum.
Schumanns poetische Fantasiestücke op. 73 (datiert 1849) wurden ursprünglich für Klavier und Klarinette komponiert; doch schon die Erstausgabe enthielt eine alternative Violin- und Violoncellostimme. Die Interpretation des Duos vermittelt mit subtiler Tongebung und großem Atem die romantische Idylle der dreisätzigen Komposition. Das von Schumann im letzten Satz geforderte „Feuer“ entfachen die beiden Musikerinnen mit maßvoller Glut.
Brahms’ op. 38 (komponiert zwischen 1862 und 1865) hat Hélène Grimaud 2005 schon einmal eingespielt (auf der ebenfalls sehr empfehlenswerten CD „Reflection“), damals mit dem norwegischen Cellisten Truls Mørk. Interessant ist ein Vergleich zwischen den beiden Aufnahmen. In der Einspielung von 2005 hören wir zwei Solisten, die ihren Part sehr selbstbewusst und energiegeladen vortragen – musikalisch vereint, doch mit starken individuellen Akzenten und stellenweise wetteifernd. Das Zusammenspiel mit Sol Gabetta in der hier vorliegenden Aufnahme gestaltet Hélène Grimaud versöhnlicher, sanglicher und deutlich auf einen gleichgesinnten Dialog bedacht. Zarte, geradezu zerbrechliche Momente betonen den rhapsodischen Charakter des Stückes. Beide Aufnahmen überzeugen auf ihre Weise und gehören für mich zu den besten des Werkes überhaupt.
Debussys 1916 entstandene Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll wird von einem melancholischen Grundton beherrscht. Die Tonalität schwankt auffallend oft zwischen Dur und Moll. Das etwa 10-minütige Stück mündet in ein erregtes, nervöses Finale. Im Gegensatz zu den meisten anderen Cellosonaten der zurückliegenden Zeit wollte Debussy das Cello, und nicht das Klavier in der dominanten Rolle wissen. Im Manuskript vermerkte er ausdrücklich, dass dem Pianisten die Begleitfunktion zukommt. Mit großem Einfühlungsvermögen wird Hélène Grimaud dieser Rolle gerecht: Sie gibt Ihrer Kollegin einerseits viel Freiraum zur Entfaltung, gleichzeitig aber die nötige rhythmische Unterstützung.
Die von Schostakovich 1934 ebenfalls in d-Moll komponierte Cellosonate zählt zu den wichtigsten Meisterwerken der gesamten Kammermusikliteratur des 20. Jahrhunderts. Besonders im aufwühlenden ersten Satz greift Sol Gabetta beherzt in die Saiten, wiederum von Hélène Grimaud souverän gestützt. Der folkloristisch-tänzerische Rhythmus des Allegro wird von Beiden mitreißend musiziert (und erinnert stellenweise an den 8 Jahre später entstandenen Säbeltanz des Aram Chatschaturjan). Das verbitterte Largo zelebriert das Duo in herrlich dunklem Cello- und Pianoklang. Der Resignation lässt Schostakovich ein überraschend optimistisches Finale folgen. Ironie blitzt hervor, dem politischen Diktat seiner Zeit trotzend. Der technische Anspruch des Werkes ist enorm – die beiden Künstlerinnen begeistern hier mit furiosem Spiel.
Das attraktiv gestaltete Booklet enthält keine Informationen über die dargebotenen Werke (im Allgemeinen aber hinreichend bekannt), dafür ein interessantes Interview, das die Musikjournalistin Christine Lemke-Matwey mit den beiden Künstlerinnen führte. Hier gewinnt der Leser interessante Einsichten über die synergetische Beziehung der beiden Musikerinnen zueinander.
Fazit: Dem charismatischen „Duo“ ist ein herausragendes Album gelungen, fernab jeder Routine. Eine attraktive Kombination aus beliebtem Konzertrepertoire (Schumann, Brahms) und selten gespielten Kostbarkeiten (Debussy, Schostakovich). Die Damen hätten es sich leichter machen können. Haben sie aber nicht – und auf ganzer Linie gewonnen. Ein Glück für uns Klassikfreunde.
Michael Bessert, Gütersloh/Berlin