4 von 5
rtrechow
15. Oktober 2020
Gesamteindruck:
3,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
Bin wohl verdorben...
Mich haben die Aufnahmen etwas enttäuscht.
Ich hatte vorher begeisterte Kritiken gelesen (hier, aber auch der internationalen Fachpresse) und hatte höchste Erwartungen... Aber schon beim ersten Anhören war ich etwas ernüchtert, und im Vergleich gegen meine Referenzen (Gilels/Jochum und Freire/Chailly) wurde es dann deutlicher. Diese Doppel-CD liegt jetzt auf meinem Verkaufen/Verschenken-Stapel.
Wichtiger Teil des Problems ist tatsächlich die Aufnahmetechnik. DGG konnte das vor Jahrzehnten bei Gilels viel besser (!!): der Klang ist auf der alten Aufnahme klar voller, Bässe sind dunkler - und vor allem klingt das Klavier viel wärmer, runder. Auf der Grimaud-Aufnahme ist der Klavierklang dagegen bei beiden Konzerten flach, metallisch, fast dünn!
Das Orchester ist bei Jochum "klassischer" - kein Schmalz (der bei Brahms ja oft nicht weit entfernt ist), keine Schluchzer, Schweller o.ä. - auch Nelsons hält sich da zurück, aber "Süßlichkeit" ist näher...
Und der Gesamteindruck -sicher gewollt! - vor allem des ersten Konzertes ist bei Grimaud/Nelsons der eines Kampfes: Grimaud "kämpft" mit den Noten, ihr Anschlag ist fast immer hart, perkussiv (aber ohne Wärme!) - und das Orchester kämpft mit.
Bei Gilels/Jochum dagegen hat man zu jeder Sekunde das Gefühl, hier "gestalten" die Musiker z.B. ein herrliches, auch hoch dramatisches, farbiges, berührendes Kunstwerk - aber sie haben auch die "Monster" (beide Konzerte sind ja z.T. extrem anspruchsvoll und aufwühlend) unter Kontrolle. Gerade in den ruhigen Sätzen "leuchtet" Gilels Klavierton, er lässt ausklingen, alles atmet - dagegen fällt die "neue" Aufnahme deutlich ab.
Die Tempi sind übrigens vergleichbar "breit" - wer es noch "heftiger" und kompakter braucht, ist mit Freire/Chailly bestens bedient, wird aber nicht so viel Größe und Wärme finden.
Das Booklet zeigt etwas 400 Fotos der (ja wirklich schönen) Frau Grimaud - na ja. Der Interview-Text ist dafür wirklich bereichernd, und die Bilder von Brahms, über die Frau Grimaud spricht, sind auch ganzseitig abgebildet. -
(Wie immer: beurteilt nur nach MEINEM Geschmack.)