4 von 5
rtrechow
17. Juli 2022
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
4,0 von 5
Klar - und kühl
Diese Aufnahmen sind genau so geworden, wie man es erwarten durfte: sehr gut aufgenommen (wenn Korsticks Klavierton auch in den Höhen etwas Wärme fehlt - manchmal schmerzt das fast), sehr durchhörbar, mit zügigen Tempi. Das klingt "modern" im guten Sinne, positive Kritiken können Sie ja hier mehrere lesen.
Die "Edition" (Klavierkonzerte 0 bis 7), die hier wiederholt sehr hervorgehoben wird, bedeutet mir wenig.
Ich finde es seltsam, dem von Beethoven selbst für Klavier arrangierten Violinkonzert (op. 61a) nun die Nr. 7 zu geben - bisher hat man es meist Nr. 6 genannt. Und die beiden Werke ohne Opuszahl sind für sich gesehen natürlich "erstaunlich" und so weiter - aber ich will sie nicht noch einmal hören. Nr. 1 bis 5 sind musikalisch so viel reicher...
Also dann - was für mich zählt, ist, ob die Musik mich berühren kann. Ob Beethoven zu mir spricht, ob sich Dramatik, Trauer, Trost, Kampf usw. übertragen.
Und da hat Korstick seine (bekannten) Stärken - Klarheit, Strenge, Disziplin (natürlich seine hervorragende Technik).
Das, was mir fehlt, ergibt sich genau daraus: diese Musik atmet bei Korstick wenig. Poesie, Sanftheit, Zartheit fehlen - zumindest im Vergleich mit den Größten - und ganz typisch: es gibt kaum "Pausen", keine Ruhen, kein "Verklingenlassen".
Das ist so schade!
Selbst wenn Korstick einmal langsam ist (2. Satz des 3. Konzertes) und leise wird und die Musik zu uns sprechen "will", spürt man fast, dass es Korstick hier wichtiger ist, alles "richtig" zu machen (Dynamik, Rhythmus, Betonung).
Während Andsnes, Pires, Kissin (mit Davis), Gilels und all die anderen Pianisten meiner Lieblingsaufnahmen hier direkt zu mir sprechen durch ihr Klavier, während es bei ihnen so klingt, als erfänden sie die Musik in diesem Moment unter ihren Händen -
währenddessen sehe ich Korstick genau berechnen, wie laut, wie lang und wie "gebunden" jede einzelne Note sein darf (nein - muss).
Das ist natürlich übertrieben. Doch es bleibt: Korstick entfacht (für mich) keinen Zauber.
Er spielt technisch sehr gut und sehr klar und genau. Er hält sich wahrscheinlich genauer an den Notentext als all meine Favoriten. Er hat ein tolles Orchester.
Aber die Musik, die sie gestalten, berührt mich wenig...
Ein Musterbeispiel ist übrigens der erste Einsatz der Violine - also hier des Klaviers - in op. 61a: Sanftheit, Schönheit und Milde werden völlig zerstört, indem Kortsick die einzelnen Töne NICHT ausklingen lässt (ich habe zwei andere Aufnahmen, die das anders darstellen). Vielleicht steht es so tatsächlich in Beethovens Partitur. Aber es klingt hart, grob, lieblos - weit entfernt vom bekannten Eindruck des Violinkonzertes, und weit entfernt von dem, was Ragna Schirmer bzw. Brautigam/Parrott daraus machen.
Ich will diese Aufnahme nicht schlechter machen als sie ist - sehr viel Positives haben andere ja geschrieben.
Für mich sind die Wunderwerke Beethovens (v.a. das 3., 4. und 5. Klavierkonzert) hier einfach zu streng und vor allem zu kühl interpretiert. Und Freude und Leichtigkeit, Tanz oder "Jauchzen" finde ich in praktisch jeder Konkurrenzaufnahme aus meinem CD-Schrank mehr (ich hab ja nur die besten behalten)...
Das Beiheft ist wirklich hervorragend.
(Wie immer: Kritik nur nach meinem Geschmack)