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Twilightsound
28. Januar 2015
Besser als Heritage
Ein neues Opeth-Album... das ist fast schon ein positiver Aufreger wie früher, wenn eine der 'klassischen' Bands neues Material angekündigt hat. Nun gut, in gewisser Weise sind Opeth ja auch selbst schon Klassiker. Seit „Heritage“ ist die Fangemeinde zusätzlich noch ebenso aufgewühlt wie gespalten, weil Opeth eine doch recht radikale musikalische Neuausrichtung durchlaufen haben. Opeth heißt allerdings ganz wesentlich Mikael Åkerfeldt und dessen musikalischen Interessen haben sich eben gewandelt, Fan-Schelte hin oder her.
Ich bin ja ein bekennender Retro-Prog-Fan (siehe Steven Wilson), so dass ich auf „Heritage“ mehr als gespannt war. Leider war das Album für mich dann eher eine kleine Enttäuschung, neben vielen spannenden Momenten blieb das Gefühl zurück eher unfertigen Songskizzen zu lauschen. Stücke, die sich nicht so recht entfalten wollen. Das erzeugte ein mulmiges Gefühl in der Erwartung von „Pale Communion“.
Mit „Pale Communion“ führt Mikael Åkerfeldt wenig überraschend die bei „Heritage“ eingeschlagene Linie fort. Aber wie! „Pale Communion“ präsentiert sich als ein perfektes Retro-Prog-Album mit gelungenen Arrangements, tradionellen Sounds (aber im modernen Produktionsgewand, also keineswegs nur schal altertümelnd), griffigen Melodien, interessanten Instrumentalpassagen (neben den Gitarristen beeindruckt vor allem Keyboarder Joakim Svalberg mit stilsicheren Klängen und variablem Spiel), druckvollem Spiel und wirklich hervorragendem Gesang (und natürlich völliger Abwesenheit von Growls). Sanfte Portionen von Hardrock, die organisch geschickt eingewoben sind (und nur einmal – in „Cusp of Eternity“ - deutlich in den Vordergund gestellt sind) sorgen dafür, dass „Pale Communion“ deutlich griffiger und kraftvoller daherkommt als seinerzeit „Heritage“.
Bei aller Geschlossenheit und mehr Stringenz ist „Pale Communion“ aber sicherlich nicht eindimensional oder gar langweilig, ganz im Gegenteil. Die Kompositionen offenbaren auch nach mehreren Durchläufen neue Details, die man zuerst nicht wahrgenommen hat. Das Mikael Åkerfeldt und Steven Wilson musikalische Brüder im Geiste sind, ist nichts Neues mehr. Ich vermeine daher einen deutlichen Einfluss von „The Raven That Refused To Sing“ auf „Pale Communion“ zu verspüren. Melodieführung und Arrangements von Stücken wie „Moon Above, Sun Below“ oder „Elysian Woes“ klingen stark nach Wilsons Handschrift und wären vermutlich mit anderem Gesang auch als Stücke aus seinem Repertoire durchgegangen.
Daneben hat „Pale Communion“ aber auch jazzig-abgefahrenes wie das witzige Instrumental „Goblin“ im Angebot. Oder ein Stück wie „River“ bei dem mindestens Einstieg starke Erinnerungen an Crosby, Stills & Nash weckt, bevor es in veritablen Italo-Hard-Progger umschwenkt. Auch wenn gelegentlich die Streicher-Arrangements für wohlige Dramatik sorgen, bleibt der Einsatz des Orchesters (auf dem im Vorderfeld doch groß herumgeritten wurde) etwas blass. Nichts, was nicht auch ein Mellotron hinbekommen hätte (von dessen Klängen sich aber auch noch so genug wiederfindet).
So bewegen sich Opeth und Mikael Åkerfeldt diesmal voller Selbstvertrauen und Stilsicherheit deutlich präsenter zwischen Retro-Hardrock, Anleihen an den klassischen Progressive Rock der 70er und verspieltem Art-Rock in einem zeitgemäßen Klanggewand. Retroprog-Combos gibt es natürlich viele und Opeth erfinden natürlich nichts neu, aber die außergewöhnliche Qualität von Musikern und letztlich auch von Åkerfeldts Kompositionen machen „Pale Communion“ schon besonders. Möglicherweise wäre Mikael Åkerfeldt allerdings gut beraten gewesen schon bei „Heritage“ einen neuen Bandnamen zu wählen.