3 von 5
SisterDew
09. Oktober 2016
Uh boy!
Wenn man "Stadtrandlichter" gehört hat, wirft der Pressetext zu dieser Platte so manche Frage auf. Zum Beispiel ob musikalische Unabhängigkeit zwingend ein Segen ist. Klar: künstlerische Freiheit, das eigene Label und "sein eigener Chef sein", hört sich klasse an. Machen, was Spaß macht und das Hobby zum Beruf. Freidrehen, bis einem schwindelig wird. Sich geben, worauf man Bock hat. Keine Rücksicht, ohne Umweg, geradeaus. Geile Sache, keine Frage.
Im Literaturbetrieb ist es allerdings aus gutem Grund verpönnt, seine eigenen Bücher selbst zu verlegen. Denn wenn man sich nur mit Sympathisanten und Freunden umgibt, fehlt schnell das konstruktive Korrektiv und genau diesen selbstverliebten Makel hört man Cluesos Stadtrandlichtern an. Schon der Vorgänger ließ Dynamik vermissen und auch das aktuelle Album schwächelt in dieser Beziehung.
"Rumpelig" und "druckvoll" sollen die neuen Tracks laut Produktinformation sein. Die meisten Titel sind tatsächlich gefällig arrangiert, aber der Gesamteindruck verliert sich in einer temperamentlosen Langeweile, die weder drückt noch auffallend rumpelt. Textlich dreht sich Clueso eh seit "So sehr dabei" im Kreis, seine gesangliche Bandbreite bleibt beschränkt.
Über Geschmack läßt sich bekanntlich (nicht) streiten, ich für meinen Teil hätte mir jedoch statt künstlicher Beats mehr authentische Energie gewünscht. Viele "Stadtrandlicher" leuchten mit mindestens zehntausend Kelvin, kaltweiße Soundspielereien färben die Songs synthetisch. Ich vermisse die "charmante Unvollkommenheit" der ersten Alben, denn wenn Monotonie Ausdruck von "Reife" und "unheimlicher emotionaler Tiefe" sein soll, dann lob ich mir das ehrliche, aber abwechslungsreiche Chaos.
"Vollkommenheit" ist übrigens gar nicht erwünscht. Charisma, Einzigartigkeit, Innovation, Mut und Leidenschaft sind erstrebenswert und Attribute, die in den Pop-Himmel führen. Diejenigen, die dort schon angekommen sind, zeichnen selten Makellosigkeit aus.