Unausgegorenes Stückwerk
Die Wartezeit ist mit sechs Jahren beträchtlich gewesen. Deshalb stand für mich seit Monaten fest, dass der neue Langspieler von "Queens of the Stone Age" der Knüller werden würde, vielleicht sogar bereits Dagewesenes toppen könnte.
Irgendwann hat die Band angefangen, auf Facebook den Fortschritt der Aufnahmen zu veröffentlichen, das (Gast-)Personal inkl. Grohl, John (!), Oliveri, Turner, Reznor, Lanegan und Shears versprach mit wenig Fantasie schier Großartiges. Immer wieder wurden über die Social Media-Kanäle Fotos und Songfetzen verstreut, die aber keine Rückschlüsse auf das kommende Werk zuließen; stattdessen allerdings die Vorfreude deutlich zu steigern wussten.
Bereits vor einigen Wochen wurde dann schließlich der erste Song des Albums in ganzer Länge veröffentlicht. An dieser Stelle muss ich allerdings bereits gestehen, dass mich "My God Is The Sun" recht ratlos zurückließ, im Grunde genommen sogar ein klein bisschen enttäuschte. Ein solider Hardrock-Song, kein Stoner, nichts Psychedelisches, aber wenigstens Hitze, Wüste und die Bekenntnis, dass Mr. Homme keine Uhr trägt. Äh, bitte? Naja. So ist es dann wohl…
Nach und nach wurden neben einigen Mitschnitten von Konzerten, auf denen einige neue Lieder gespielt wurden, weitere Ausschnitte des Albums samt dazugehörigen (Achtung Hyperbel) Violence-Porn-Videos über Youtube veröffentlicht, auf die übliche Geheimniskrämerei wurde verzichtet. Schade zwar, aber in Zeiten immer früherer Leaks auch nachvollziehbar. So konnte die Band wohl wenigstens davon ausgehen, dass die eingefleischten Fans vielleicht doch noch eher bis zum offiziellen Veröffentlichungstag des Albums warten würden.
Nun, das Album ist draußen, die Lieder oft gehört. Das Fazit nach intensiver Beschäftigung mit dem Album könnte kaum ernüchternder für mich ausfallen. Ich bin überrascht, enttäuscht und unzufrieden. Dabei beginnt das sechste Studioalbum angenehm, wenn auch nicht gerade innovativ.
Dass für einen grandiosen Opener keine lyrischen Meisterwerke nötig sind, hat die Band ja schon mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt, denn "Regular John", "Feel Good Hit Of The Summer" und "Millionaire" haben es doch in die Liste der All Time-Favorites geschafft. "Keep Your Eyes Peeled" stampft und röhrt und hat balladeske Kopfstimmenpassagen als Bridge (“The view from Hell is blue sky”). Insgesamt klingt der donnernde erste Song fast wie eine Rückbesinnung auf Kyuss-Zeiten und lässt mich hoffnungsvoll ins Album einsteigen.
Mit "I Sat By The Ocean" folgt eine groovige Mitwipp-Nummer, die entfernt an die leichteren "Lullabies…"-Stücke erinnert. Ein potentieller Single-Kandidat, der einem nichts Böses will. Er ist zwar sehr radiotauglich und gerade die Bridge gegen Ende ist ein wenig uninspiriert und klingt fast schon zu vertraut, insgesamt aber auch dank des Texts einer der stärkeren Songs auf dem Album: “I sat by the ocean/ And drank a potion / Baby to erase you” - eine fantastische Formulierung.
Für das Album typisch sind einige fließende Übergänge durch Soundeffekte und so geht es fast nahtlos weiter mit der ersten Ballade "The Vampyre Of Time And Memory". “I want God to come / And take me home / ‘Cause I’m all alone in this crowd” fliegt einem da um die Ohren und später sogar “I feel no love”. Ernsthaft? Mal ehrlich, was ist denn das für ein Ding? Die Instrumentation ist an Langweile nicht zu überbieten, der Song plätschert absolut ohne Höhepunkte über drei Minuten so vor sich hin und hinterlässt mich das erste Mal völlig ratlos. Das ist wirklich ein ganz, ganz schwacher Song, der im schlimmsten Fall genau so auch auf einem uninspirierten Pop-Album von einer Boygroup-Reunion stammen könnte.
Nächster nahtloser Übergang, Gitarrentöne im langsamen Crescendo, dann endlich wieder stampfender Bass und Robo-Drums. "If I Had A Tail" ist ein echter Stoner-Song, wenn auch zunächst der softeren Art. Zwar irgendwie Oldschool-QOTSA-mäßig, aber trotzdem klingt die Band hier nicht zu gewöhnlich, nicht zuletzt, da Homme hier eine ganz neue Art zu singen entdeckt. Besonders auffällig und angenehm der stoner-typische prägende, kräftige und simple Drum-Beat, der den Zuhörer durch den Song trägt. Und “If I had a Tail/ I’d swat the flies” zaubert mir dann auch noch ein Lächeln auf’s Gesicht. Zusammen mit "Keep Your Eyes Peeled" so etwas wie ein Desert-Rock 2.0-Vertreter.
Ein gelungener Song, “Mehr davon!” möchte ich rufen, aber es geht weiter mit "My God Is The Sun", über das ich ja bereits einige Worte verloren habe. An dieser Stelle möchte ich allerdings noch erwähnen, dass ich finde, dass die Single sich in meinen Augen (Ohren) nicht so recht in das Album einfügen möchte, zumindest nicht an dieser Stelle. Vom Sound her für mich eher ein typischer Opener.
Nun gut, nächster fließender Übergang samt Soundeffekten zu "Kalopsia". Beginnt mit Herzklopfen und Atmen. Laut Band handelt es sich bei "Kalopsia" übrigens um “a condition wherein things appear more beautiful than they are”. So weit, so gut. Bei diesem ersten Song des zweiten Teils des Albums bin ich absolut unschlüssig, was die Band zu diesem bewogen hat. Es handelt sich dabei am ehesten um eine Art Interludium, von denen Homme offenbar begeistert ist (vgl. "Interlude With Ludes" von "Them Crooked Vultures"): Viel Super-Mario-eskes Geklimper von Gitarre und Piano (Keyboard?), dann plötzliche E-Gitarren-Explosion samt Oliveri im Background. Im Grunde genommen ist der Song zu großen Teilen recht gelungen, aber es fehlt doch einiges zum perfekten Stück. Zwischendurch fällt einfach die Spannung ab, die sich dann aber zum Schluss in einer erneuten Rockexplosion entlädt.
Als bereits siebtes Stück folgt nun "Fairweather Friends" mit dem Collabo-Overkill samt o.g. Sir Elton John, Nick Oliveri, Mark Lanegan, Trent Reznor, Alain Johannes und der Homme-Gattin Brody Dalle. Leider hört man diese ganzen Größen nicht einzeln heraus, sie singen stattdessen zusammen im Background ständig wie hypnotisiert “Fairweather Friends”. Das hätte man deutlich besser umsetzen können, in meinen Augen ein halbgarer Song - natürlich steckt da eine gehörige Portion Ironie und Spaß hinter, um das zu erkennen hätte es die abschließenden Worte Hommes (“I don’t give a shit about ‘em anyhow”) gar nicht gebraucht. Sowas kann man sich aber nur erlauben, wenn das restliche Album ein Kracher ist. “So what’s it gonna take / To get you back in bed?” ist natürlich ob der Anwesenheit Johns ein netter Gag, aber für mich insgesamt ein Song, auf den man hätte verzichten können. Etwas Dunkel-Bluesiges (wie ich es vor einigen Wochen fälschlicherweise prognostiziert hatte) mit Johns markantem Organ, dazu Hommes Kopfstimme, das wäre doch mal eine Idee gewesen.
Weiter geht’s mit "Smooth Sailing". Wenn da jetzt noch Jesse Hughes mitsingen würde, wäre der Opener für das nächste "Eagles of Death Metal"-Album gefunden. Text (“I’m in flagranti / In every way”), Instrumentation, Songstruktur, alles würde sich perfekt in das Nebenprojekt einfügen. Aber doch bitte nicht hier. Eigentlich ein klasse Lied, das sehr gut ins Ohr geht, aber ich hätte auch gut damit leben können, wenn Homme das Lied bis zur nächsten "Eagles"-Platte in der Schublade hätte liegen lassen. Da wäre es ein echter Kracher geworden.
Mittlerweile beim vorletzten Song angekommen beginnt "I Appear Missing" so, wie ich mir die Band häufiger gewünscht hätte. Ein weiterentwickelter "QOTSA"-Sound und mit sechs Minuten Laufzeit ein echter Brocken, dazu ein fast ungewöhnlich verstörender, nachdenklicher Text untermalt vom wohlklingenden Rockorchester. Kein reduziert-trockener Sound, denn den kennen wir ja schon. Aber trotzdem irgendwie thematisch grob im Dunstkreis der Rancho de la Luna und der Mojave-Wüste. "I Appear Missing" wäre auch von der Stimmung her ein toller Abschluss geworden.
Aber das Album endet stattdessen unversöhnlich mit der zweiten Ballade, die nach den Album benannt ist. “Holding on too long is just / A fear of letting go / Because not everything that goes around / Comes back around, you know” schmachtet Homme vor sich hin. Aha. Warum so weinerlich? Klingt das etwa nach Justin Timberlakes "What Goes Around Comes Around"? Sorry, aber ja. Irgendwie schon ein bisschen. Außerdem ist hier wieder der Boygroup-Charme vertreten, wenn auch nicht ganz so gegenwärtig wie auf "Vampyre…". Die Band hat bereits fantastische Balladen und Low-Tempo-Nummern geschrieben, allen voran der Hidden Track "Like A Drug", der als Dreingabe auf "Lullabies To Paralyze" eine gute Figur gemacht hat. Aber als Abschluss eines mehr als durchwachsenen Albums ist ein so unpassend-pathetisches Stück wie "...Like Clockwork" eine herbe Enttäuschung. Das abrupte Ende dieses letzten Liedes kommt dann irgendwie doch gerade recht.
Tatsächlich schon durch das heiß erwartete neue Werk der "QOTSA".
Insgesamt erkenne ich kein klares Konzept, die Texte sind zuweilen uninspiriert und passen so gar nicht in das Bild, das ich von der Band habe. Obacht, vorgefertigte Meinung? Beleidigter Fan? Unanpassungsfähig? Nein, aber wenn ich "QOTSA" erwarte, soll auch "QOTSA" drin sein. Bands sollen sich nicht nur weiterentwickeln, sie müssen es sogar zwingend. Bei den "Arctic Monkeys" ist damals mit "Humbug" samt Homme als Mentor eine großartige Weiterentwicklung des Sounds und der gesamten Band-Idee geglückt. Ein neues Konzept, aber nachvollziehbar, notwendig für die Identität und erneute Identitätsfindung der Band. "Like Clockwork" fehlt der Wiedererkennungswert der Band, es fehlt das Gefühl, das sich sonst beim Hören der Band einstellt.
"…Like Clockwork" ist überwiegend keine nachvollziehbare Weiterentwicklung, sondern in weiten Teilen der Schritt in eine falsche, merkwürdige Richtung.
Insgesamt fällt auf, dass das Album nicht in sich geschlossen wirkt, es fehlt eine nachvollziehbare Grundidee, die sich eigentlich auf den Hörer übertragen sollte. Stattdessen wirkt "…Like Clockwork" so, als habe die Band zu viele Sounds ausprobiert und sei daran gescheitert, sie gescheit in ein in sich geschlossenes Album zu integrieren. Eventuell ist das Album ja ein Ausrutscher und nicht ein Zeichen, dass die Band ihren Zenith überschritten hat, dass das geniale Mastermind Homme altert und sesshaft geworden ist. Vielleicht ist das alles mit den Turbulenzen und widrigen Bedingungen bei der Produktion des Albums zu erklären, die Homme erwähnt hat.
Vielleicht haben sie sich diesmal einfach zu viel Zeit gelassen mit der Entwicklung des Albums. Hoffentlich!