3 von 5
SisterDew
16. Oktober 2016
Pop For $ale
Enttäuschung war das Gefühl, das bei mir nach dem Kauf von "Momentum" (in der Deluxe-Edition) überwog. Und auch nach mehrmaligem Hören, konnte ich keinen versöhnlicheren Eindruck von dem neuen Album gewinnen. Ich bin keine versierter Jazz-Kenner, mochte aber stets Jamie Cullums erfrischenden Crossover, so dass dieser unerwartete Exkurs zum kommerziellen Mainstream-Pop einfach zu plump auf mich wirkt.
Ist Jamie Cullum die Fahnenflucht zum Pop vorzuwerfen?
Nicht unbedingt, denn dass Cullum auch dieses Genre anspruchsvoll bedienen kann, hat er bereits mit vorherigen Veröffentlichungen bewiesen. Beispielsweise Elton Johns "Rocket Man" oder "The Wind Cries Mary" (Jimi Hendrix) hat er unverkennbar und kongenial interpretiert und mit "Gran Torino" selbst einen wunderbaren Popsong geschrieben. Gerne hätte ich eine Jamie-Cullum-Version von "Standing Still" auf "Momentum" gehört, - den Song, den er 2012 für Roman Lob (Eurovision Song Contest) komponierte.
Jamie Cullum kann also Pop, - und doch enttäuscht das neue Album, weil er sich so sehr der Heavy-Rotation anbiedert und belanglose Plastikmusik vorherrscht, die manchmal nervt ("Love For $ale" feat. Roots Manuva) und sehr oft trivial ("Everything You Didn't Do") und berechnend ("The Same Things") klingt.
Ein begnadeter Songwriter und Multiinstrumentalist versucht mit der Brechstange die Charts zu stürmen und vergrault gleichzeitig viele seiner Fans, die mit aktueller Popmusik rein gar nichts anfangen können (oder wollen).
Doch auch wenn mir kaum ein Track des Albums wirklich gefällt, sind die Songs (dank Cullums sagenhafter Stimme) trotz allem meilenweit von den schwülstigen und seelenlosen Missgeburten entfernt, mit denen z.B. "Bruno Mars" oder "The Black Eyed Peas" (um zwei der scheußlichsten Vertreter moderner Popmusik zu nennen) Nerds wie mich in den Wahnsinn treiben.
"Momentum" ist sauber produziert und arrangiert, - dem Album fehlt einfach der Drive, eine gewisse Originalität und musikalische Gewitztheit, die ich auch von einen Thirtysomething erwarte.
Keine Frage: Künstler müssen sich weiterentwickeln, um sich treu zu bleiben. Keine Schublade ist für einen Vollblutmusiker wie Jamie Cullum groß genug, - auch nicht das Genre Pop. Das macht Hoffnung für die Zukunft. Vorausgesetzt Cullum neigt nicht zur Klaustrophilie.