4 von 5
Anonym
30. Januar 2018
Hörender Zuschauer des Lebens
Marais (Gerard Depardieu) sieht den ganzen Film über dem scheinbar abgeschiedenen, verinnerlichten Leben seines widerwilligen Lehrmeisters Colombe und dessen Töchtern zu. Er erledigt dies quasi wie eine Scheibe vor dem Zuschauer, der es nach und mit ihm gleichfalls erleben kann. Diese sektiererische Restfamilie, deren Religion in der Konzentration auf das wahre Gefühl, man könnte sagen der Wahrheit des Herzens besteht, demonstriert dies in ihrer persönlichen Offenbarung auf- und abschwellender Gambentönen. So schön diese Klänge in ausgezeichneter Klangwiedergabe auch sind, offenbart sich diese radikale Wahrheitsliebe des Herzens aber deutlich mehr in der kompromisslosen Antwort, die Colombes Tochter (Anne Brochet) dem Karrieristen Marais gibt, nachdem er sich von ihr abwendet. Zwar hält ihre Herzensgröße nur den frühen Selbstmord für sie bereit und Marais darf sein erfolgreiches Leben lange genießen, aber er weiß immer, dass diese Länge und dieser Erfolg mit dem Zuschauerstatus eines puren Lebensbeobachters erkauft ist.
Eine schöne Moritat, die schon wegen ihrer zeitlosen Gültigkeit sehens- und auch hörenswert ist.
Oliver Andreas Frank