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Bernd Friedrich
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Alter:
55 bis 65
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Geschlecht:
Männlich:
02. Februar 2016
So wie ich
Letzte Woche erzählte ich einer jungen Kollegin (Musiklehrerin, selbst aktive Musikerin) von Uschi Brüning und stellte verblüfft fest, dass sie sie nicht kannte. Wie ist so etwas nur möglich?
Ja, sie ist einfach zu jung, um wie ich 1970 während der Abiturfahrt meiner Klasse auf der Strandpromenade von Heringsdorf ein Reklameschild vor einem Hotel zu sehen, das für ein Konzert mit der Klaus-Lenz-Big Band warb und auf dem wohl auch der Name von Uschi Brüning zu lesen war. Neugierig setzte ich mich an einen Tisch in dem Hoteltanzsaal, bestellte mir ein Bier und hörte mir Big-Band-Jazz an, was damals (mit Achtzehn!) bestimmt nicht meine Musik war. Und dann trat sie auf die Bühne mit ihren langen braunen Haaren und ihrer großen Brille und auf einmal war alles anders. Diese Stimme! In der DDR! Da ereignete sich etwas völlig außerhalb meiner bisherigen Vorstellungkraft und ich hatte mein Edgar-Wibeau-Erlebnis. (Wer sich darunter nichts vorstellen kann: Ullrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“ lesen…)
Und seither bleibt mir nur, für ihre Kunst „Danke“ zu sagen. Da ist die LP mit Jazzstandards von 1982, die meines Wissens bisher leider nicht auf CD erschienen ist und die für mich zum schönsten gehört, was je irgendwo auf der Welt als Jazz veröffentlicht wurde. Ja – „sie ist nicht schlechter als Ella Fitzgerald oder eine…“ (Ullrich Plenzdorf)
Da sind ihre deutschsprachigen Titel, Schlagerchansons mit musikalischem und poetischem Anspruch, die jetzt auf „Uschi Brüning – Das Porträt“ zusammengefasst sind und die die helle Klarheit ihrer Stimme erstrahlen lassen, die kleine und große Geschichten erzählen und meilenweit von manchem heutigen Schlagergehopse entfernt sind. Über (nur gelegentlich) ein wenig zu viel 80er-Jahre-Pathos kann man da locker drüberweghören.
Und nun „So wie ich“. Ihre Stimme ist etwas rauchiger geworden, aber ausdrucksstark wie eh und je. Wunderschöne Lieder in traumhaften Arrangements von Andreas Bätzel und/oder Andreas Bicking, Texte u.a. von Gisela Steineckert, aber auch von Uschi Brüning selbst und ihr Gesang: Leicht und bestimmt, sicher und wenn es das Lied braucht, stark und kraftvoll.
Wenn jemand nur die Titelliste liest, mag er sich fragen, was da für ein Durcheinander zusammengesampelt wurde. Burt Bacherach und Robert Stolz und dann sogar „Mit siebzehn hat man noch Träume“ – so what? Hört man die CD, weiß man plötzlich, dass das einfach so sein muss. Und singt sie dann als letztes Lied auf der CD Holger Bieges „Wenn der Abend kommt“, schließt sich für mich auf magische Weise ein Kreis zu jenem Tag im Juni 1970, an dem ich Uschi Brüning zum ersten Mal gehört habe. Liebe Uschi Brüning: Danke!