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W. Frank 26340 Zetel
10. Oktober 2017
Potentieller Einklang der Vielschichtigkeit - Miles Davis' Fusion-Jazz in den Anfängen
In A Silent Way (1969) ist das erste direkte Fusion-Album des Jazztrompeters Miles Davis.
Miles Davis eröffnete den Beginn des Fusion Jazz, indem er eine musikalisch revolutionäre und wegweisende Methode entwickelte, scheinbar unvereinbare Elemente miteinander zu verbinden - wichtig war ihm dabei der gesamtmusikalische Ausdruck.
Dabei schuf er eine, für sein weiteres musikalisches Schaffen bezeichnende, Dynamik und Virtuosität, wobei er seine Quintessenz des Jazz (Freiheit der Improvisationen, Spontaneität des Augenblicks und die jazztypische Vielschichtigkeit der Klangfarben (z.B. mit Orchesterarrangements realisiert) ) erhielt, doch durch den Einsatz der Elektronik (Gitarre und Keyboards), die Einbindung kurzer Gitarrenriffs, die kontrapunktisch zum Bass-Spiel angelegt sind, neue Spannungs- und Stimmungsebenen erzeugte und durch betonten Einsatz des Schlagzeugs rockverwandte, aber entspannte Rhythmen beifügte.
Sein neues, freies Konzept des musikalischen Ausdrucks, durch die stimmige und wechselseitige Zusammenfügung jazz-klassischer und moderer Elemente, läßt die Autonomie des musikalischen Werkes kommunikativer, die Musik zudem leichter zugänglich werden.
Für die Modernität der Musik dieses Album ist auch bezeichnend, dass die beiden Stücke, die jeweils eine komplette Schallplattenseite füllen, aus verschiedenen Aufnahmen durch Schneiden, Zusammenfügen, Kopieren und Wiederholen zurechtgeschnitten wurden - dadurch werden an- und abklingende Spannungsbögen erzeugt, die die musikalische Stimmung in Bewegung halten.
Auf einen musikalischen Höhepunkt gelangt diese experimentelle Klangvirtuosität besonders in der Folge von "Bitches Brew".
So ließ Miles fortführend nie lange Unterbrechungen zwischen den Stücken und konzentrierte so die konstanten Wechsel zu einem beinahe einheitlichem Fluß, wodurch die Aufführungen den Charakter einer einzigen langen Suite erhielten (z.B. "Black Beauty").
Dieses Konzept, das bis dahin nur in der klassischen Musik Verwendung fand, im Einklang mit der sich entwickelnden Wechselseitigkeit , dem Zusammenklang von Jazz, Rock, Funk, gibt Zeugnis von Miles Davis experimenteller Fusion - die ungewohnt, modern und individuell, den Musikern viel Raum und Einsatz im eigenen Spiel und gemeinsam im virtuosen Zusammenklang ließ und sogar forderte, dem Publikum zugleich eindringliches Hören und Aufnmerksamkeit abverlangte, um sich auf den musikalischen Strom einzulassen, ihm folgen zu konnen.
Hier begründet sich ein Reibungsfeld musikalischer Stimmen und Ansichten.
Mit dem Aufscheinen dieser Signifikanz konstruktiver Virtuosität, gilt A Silent Way als Meilenstein im Werkschaffen von Miles Davis, zudem Wegbereiter für das im August 1969 entstandene Album Bitches Brew - einem weiteren Höhepunkt seiner Kunst - und zukunftsweisend für die Musik.
Im Folgenden experimentierte Miles Davis zunehmend auf ganz persönliche und virtuose Weise,indem er z.B. brasilianische Perkussion in seine Musik aufnahm, wobei sich die südamerlikanischen Rhythmusinstrumente gut mit den elektronischen Effekten mischten (s.z.B. Bitches Brew, Black Beauty, Live Evil).
Modernität und Experimentierfreude finden sich auch in einem Wandel der Veranstaltungsorte: so trat Miles zu Beginn der 70er Jahre, statt wie bisher in kleinen Clubs nun auch bei größeren Veranstaltungen und auch vor Rockpublikum auf (Filmore East).
Doch würde in seiner Musik von Rockeinflüssen erst in den folgenden Jahren etwas zu spüren sein.
Kritiker dieser experimentellen und virtuosen 'Fusion' verwiesen auf Unverständlichkeit und Überforderung: besonders die abstrakten Anlage der Harmonien und die oft konzeptlose Ausgestaltung der Melodien würden Musiker wie Hörer überforderen.
Dennoch konnten auch sie die virtuose Kraft, die sich in der modernen Musik Miles Davis zum Ausdruck brachte und vielmehr bringt, niemals leugnen.