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Christopher Klaese
05. Oktober 2019
Ein weiterer, endlich gehobener Schatz - John Coltrane geht ins Kino
Kam 2018 mit dem lange verschollenen Album BOTH DIRECTIONS IN ONCE schon DIE Jazzplatte des Jahres vom legendären John Coltrane, hoben die Verantwortlichen bei Impulse! nun erneut einen ungehörten Schatz aus den Archiven. Denn 1964 spielte ‚Trane‘ für den Film „Le chat dans le sac“ des frankokanadischen Filmemachers Gilles Groulx einen Soundtrack ein und tat es damit Musikern wie Miles Davis („Ascenseur pour l'échafaud“) oder Thelonious Monk („Les Liaisons dangereuses“) gleich. Aufgenommen von einem der großen Neuerer des modernen Jazz – zusammen mit der vollkommensten Rhythmusgruppe, die er je hatte – produziert in der Phase, die gemeinhin als Zenit seiner Arbeit gilt – abgemischt von einem der prominentesten Jazztonmeister des 20. Jahrhunderts.
Und es ist ein kleines Meisterwerk, dass Coltrane und seine Mitstreiter hier am 24. Juni 1964 in Rudy van Gelders Studio aufnahmen. ‚Trane‘ spielt auf dem Tenor seine ganze Klasse und inspirierte Fertigkeit aus, McCoy Tyners Pianocluster sind ein Ohrenschmaus. Jimmy Garrisons fette Basslinien – cooles Solo auf „Traneing In“ – bilden ein äquivalentes Fundament und Elvin Jones – dieser Wahnsinnsdrummer, der alles an die Wand spielen konnte – ist mit seinen kongenialen Fills und kommentierender Antizipation ein schieres Erlebnis. Zwischen den Alben „Crescent“ und „A Love Supreme“ blickt ‚Trane‘ hier zurück auf seine bereits vorhandene Kompositionen, spielt sie allerdings mit einer Modernität („Blue World“) und federnden Leichtigkeit („Like Sonny“), die den Blues immer im Blick behält („Village Blues“), jedoch die kommende Freiheit der Klänge bereits vorwegnimmt („Naima“).
Für die mit collagehaften Fotos im 3-fold-Digipack und 12-seitigem Booklet erschienene Veröffentlichung kann ich eine ganz klare Kaufempfehlung aussprechen, nicht zuletzt aufgrund des erhellenden Bookletessays von Coltrane-Biograph Ashley Kahn, der auch die Filmhistorie von „Le chat dans le sac“ aufarbeitet. 1964 einen Soundtrack zu schreiben, der auch 2019 noch genauso frisch klingt und den ganz persönlichen „Film des Lebens“ beschallen kann – das muss man auch erstmal hinkriegen. Coltrane hat es geschafft – Moving Music For Motion Pictures!