Josef H. Reichholf: Reichholf, J: Rabenschwarze Intelligenz
Reichholf, J: Rabenschwarze Intelligenz
Buch
- Was wir von Krähen lernen können
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- Piper Verlag GmbH, 03/2011
- Einband: Flexibler Einband, ,
- ISBN-13: 9783492259156
- Umfang: 254 Seiten
- Sonstiges: Illustr.
- Copyright-Jahr: 2011
- Gewicht: 247 g
- Maße: 190 x 121 mm
- Stärke: 23 mm
- Erscheinungstermin: 1.3.2011
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Klappentext
Raben und Krähen sind die intelligentesten Vögel: Sie schwindeln, unterscheiden Freund und Feind und passen sich erstaunlich gewitzt an die Menschenwelt an. Sie sind Singvögel, singen aber nicht und können die menschliche Stimme so täuschend ähnlich wie kein anderes Tier nachahmen. Der renommierte Zoologe und Evolutionsbiologe Josef H. Reichholf beschreibt die Verhaltensweisen der cleveren Schwarzfedrigen und erzählt spannend und unterhaltsam, was er mit seinen eigenen Rabenvögeln erlebte.Auszüge aus dem Buch
VorwortMeine erste nähere Bekanntschaft mit den Rabenvögeln
machte ich mit einer Dohle. Damals war ich gerade
zehn Jahre alt. Ein älterer Junge hatte seit dem Jahr davor eine
"Dachl", wie die Dohlen im Niederbayerischen hießen.
Einen frei fliegenden Vogel zu besitzen, beeindruckte mich
so sehr, dass ich unbedingt auch eine Dohle haben wollte.
Auf mein Bitten und Drängen hin verriet er mir schließlich,
wie man an eine junge Dohle kommt. In die Spitze unseres
Dorfkirchturms müsse man zur rechten Zeit im Mai steigen.
Ganz oben sind ihre Nester! Eine Treppe im gemauerten
Turm und dann Steiggriffe am zentralen Balken führen dort
hinauf.
An einem ruhigen Tag in den Pfingstferien riskierte ich es.
Die Treppen hoch, das ging sehr schnell. Schwieriger wurde
es in der engen Turmspitze, weil ich bald nicht mehr aufwärts
schauen, sondern nur noch tasten konnte. Zudem war es
stickig heiß und sehr staubig. Die Dohlen nisteten seit
Jahrhunderten in diesem Turm. Sie bauten die Nester auf
den Sparren und Streben alljährlich Schicht um Schicht
höher, bis so ein Nestturm zu hoch wurde und abstürzte.
Die Bestandteile der Nester voller Kotreste, mit viel Staub
und Mumien von Jungvögeln, die nicht zum Ausfliegen
kamen, landeten in der Tiefe auf der oberen Plattform des
gemauerten Turms, wo sie der Mesner alle Jahre wieder
einmal entfernen musste. Beliebt waren sie daher nicht, die
kleinen schwarzen Dohlen mit ihren silbrig grauen, irgend-
wie "klug" wirkenden Köpfen und den stahlblauen Augen.
Aber man duldete sie, weil es schon immer so gewesen war,
dass sie in der Turmspitze lebten. Wenn die Glocken geläutet
wurden, kamen sie aus allen Luken mit lautem Geschrei hervor,
umschwärmten flatternd den Turm, beruhigten sich
wieder und verschwanden darin.
Mindestens 50 Dohlenpaare hausten damals im Kirchturm.
Die meisten hatten Junge, als ich die Kolonie erreichte. Daher
war es leicht, einen passend erscheinenden Jungvogel aus
einem der Nester zu holen, die in Griffweite waren. Ziemlich
verdreckt von all dem Zeugs, das auf mich niederging, weil ich
unweigerlich an alte Nester stieß, aber mit einer schreienden
Jungdohle als Beute, die ich unter dem Hemd versteckthielt,
kehrte ich zurück und schlich mich wie ein Dieb aus
der Kirche.
Ein schlechtes Gewissen hatte ich nicht, denn mit zwei bis
drei Jungen pro Nest und somit sicherlich über 100 Jungvögeln
allein in jenem Jahr schien mir der Verlust einer
Dohle vertretbar. Zudem sollte diese ja nicht umkommen,
sondern großgezogen werden und frei fliegen. Vielleicht
würde sie auch wieder zur Kolonie zurückkehren was sie
später tatsächlich tat. Denn ich hatte nicht bedacht, dass die
so muntere, schon richtig keck um sich schauende Jungdohle
viel zu alt gewesen war, um auf Menschen geprägt zu werden.
Sie fraß, schien unersättlich, wuchs heran, lernte von selbst
das Fliegen und als sie so richtig schön groß geworden war,
flog sie davon, zurück zu den Ihrigen. In den knapp zwei
Monaten, die sie unter meiner Fürsorge aufwuchs, hatte ich
viel gelernt.
Am eindrucksvollsten war, wie genau sie mich kannte und von
allen anderen Menschen unterschied. Egal, wie ich gekleidet
war, sie irrte sich niemals. Als sie fliegen konnte, streifte sie
ums Haus herum, lernte die Umgebung kennen und verflog
sich nicht ein einziges Mal. Die Leute im Dorf beeindruckte
ich mit meiner Dohle sehr. Denn wenn ich sie "Hansi" rief, so
hatte ich sie genannt, antwortete sie mit "da, da" und kam
auch meist sogleich angeflogen. Gern saß sie auf meiner
Schulter, knabberte dabei am Ohrläppchen und quatschte mir
unentwegt auf Dohlisch ins Ohr.
Die Stunden, die ich in die Schule musste, mochte sie nicht.
Da blieb sie im Haus eingesperrt. Nachmittags gingen wir
"fliegen". Gemeinsam suchten wir dann auf der Wiese nach
Insekten. Da war sie natürlich viel besser als ich. Als die Sommerferien
begannen und ich den ganzen Tag Zeit für sie gehabt
hätte, verli
Biografie
Joseph H. Reichholf, geb. 1945 in Aigen am Inn. Der Zoologe, Evolutionsbiologe und Ökologe lehrt als Professor Naturschutz an der Technischen Universität München und leitet die Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung in München. Reichholf ist unter anderem Präsidiumsmitglied des deutschen WWF. 2007 wurde er mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa ausgezeichnet.Anmerkungen:
Bitte beachten Sie, dass auch wir der Preisbindung unterliegen und kurzfristige Preiserhöhungen oder -senkungen an Sie weitergeben müssen.