5 von 5
meiernberg
Top 10 Rezensent
26. Februar 2016
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Komposition und Interpretation: überragend!
Keine Frage: Über Bachs Matthäus-Passion geht nichts drüber. Oder doch? Bis ich diese cpo-Neuheit gehört habe, war ich mir da ganz sicher. Nun muss man konstatieren: Nah dran - ganz nah dran! Aber anders - ganz anders. Rolles Passion ist nicht so streng in Passionserzählung, Rezitative, Arien, Chöre und Choräle gegliedert wie bei Bach. Bei Rolle sind die Übergänge fließender. Bestes Beispiel sind die Accompagnato-Rezitative oder auch die Instrumentalbegleitung anderer Erzählteile. Wo Bach nur bei den Jesus-Partien Streicher einsetzt, kommt bei Rolle das Orchester schon mal dann zum Einsatz, wenn es aus dramaturgischen Gründen sinnvoll ist. Im Ganzen ist Rolles Passion nicht weniger dramatisch als bei Bach. Durch die kompakteren Formen und den Verzicht auf ausladende Arien entsteht ohnehin ein geraffterer, konzentrierterer Gesamteindruck. Dabei gibt es ruhende Pole durchaus. Die sind u.a. die durch die Interpreten wunderbar gefühlvoll gestalteten Choräle. Gerade den Interpreten kommt höchstes Lob zu. Star des Ensembles ist ein herausragender Evangelist. Den Tenor Georg Poplutz möchte man auch mal in anderen Partien hören. Auch die anderen Soli sind glänzend besetzt und bilden in Summa den 8-köpfigen Chor der Kölner Akademie. Wunderbar klar und intonationsrein! Dirigent Willens hat ein HiP-geschultes Ensemble zur Verfügung und weiß Temperament und Versenkung geschickt zu nutzen, überzieht nie Tempi und wahrt den Überblick über eine tolle Komposition.
Deshalb mein Tipp an alle Freunde und Bewunderer der Bach'schen Matthäus-Passion (zu denen ich auch gehöre):
Rolles Passion hören und sich wundern und freuen, dass es nebst Bachs Wunderwerk noch andere bedeutende Vertonungen gibt. Zur Edition gehört ein umfangreiches Booklet, das man kaum unbeschädigt in die Hülle raus und rein bekommt.
Trotzdem eine überragende Veröffentlichung!