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Anonym
07. Oktober 2015
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Erstklassige Musik von Gernsheim in inspirierten Interpretationen
Schumanns Werke waren ein romantischer Frühling der deutschen Musik. Sie spiegelten den Boom der romantischen Hochkultur damaliger Zeit und verbanden diesen mit charakterlicher ethischer Schönheit.
Bei Gernsheim ist das ähnlich. Aber: seine Musik ist eigentlich spät-sommerlich und schon ähnlich wie bei Brahms von dunklerem Ernst eingefärbt.
Es wäre damit etwas voreilig, Gernsheim oberflächliche „Schöngeisterei“ nachzusagen. Das erste Violinkonzert D-Dur op. 42 ist ein Jubelgesang von „ernsthafter Art“. Keineswegs wird hier auf seichte Weise blass geschwelgt, die Ideen sind stets glücklich gefunden und zugleich interessant weiter verarbeitet, mit schlüssigen neuen Entwicklungen und Motiven.
Anders wäre es natürlich langweilig gewesen.
Das gilt auch für das zweite Violinkonzert op. 86 und die schöne „Fantasie“ op. 33. Gernsheim verwendet in allen Stücken zwingend notwendige Einfälle, die einem vertraut vorkommen. Das sind durchaus neue „Klassik-Hits“. (z.B. auch der zweite Satz vom Konzert op. 42). Obendrein ist Gernsheim auch kein Brahms-Nachahmer: seine erste Sinfonie ist zum Beispiel vor Brahms Erster Sinfonie erschienen!!! Brahms könnte sich bei ihm an-orientiert haben.
Die vorliegende CPO-Aufnahme mit Zurl und Roth holt nun ein Optimum in Verbindung von sonoren Schönklang mit passenden Tempo heraus. Das Ganze soll offenbar nie unangenehm kantig erscheinen, was Gernsheim sehr entgegenkommt, der ähnlich wie Schumann und Brahms klare Konturen und Symbole in ein weiches Klangpolster einbettet. Natürlich könnte man nun überlegen, ob es sich etwas langsamer oder schneller spielen ließe, aber meines Erachtens hat Zurl einen echt „zündenden goldenen Mittelweg gefunden“.
Wer weiteres Bedeutendes von Gernsheim kennenlernen will, dem empfehle ich die CPO-CD der Sinfonien Nr. 1 und Nr. 3. Hierin ist allein der erste Satz der Ersten eine Entdeckung, mit der man anfangen sollte. (Ganz bestimmt ist das auf einer Höhe mit Bruch, aber auch mit Schumann, Brahms, Herzogenberg, Rudorff, Rubinstein, Zweers, Parry, Faure, Otto Olssen, Stanford, Tanejew etc.).
CPO hat hier schon mit Hermann Bäumer einen absolut genialen Start der romantischen Sinfonien Gernsheims geleistet, und die Violinkonzerte sind eine weitere inspirierte neue Gernsheim Orchester-CD mit einfallsreicher Musik, von denen es mehr geben sollte.
((Wer natürlich wissen will, ob Gernsheim energischer sein und auch mit dem „Kernigsten“ der deutschen Musik mithalten kann, dem rate ich, die Werke Gernsheims mit einem Musik-PC Programm zu bearbeiten, das heißt Track für Track im Tempo zu verändern. Ich hatte die Ecksätze des Konzerte op 42 und op. 86 etwas beschleunigt, die Mittelsätze gering verlangsamt, das ganze dauert dann 27 bzw. 20 Minuten. Die Musik klingt dann reichlich dramatisch bis realitäts- streng, wie es die meisten von deutscher Musik gewohnt sind, was den an sich unbegründeten Verdacht von Seichtheit zusätzlich abwenden könnte.))
(urantik,a.nc)