sehr zwiegespalten ... und Vergleichsaufnahmen ...
Diese Besprechung bezieht sich auf beide bisher mit dem Dirigenten Borowicz bei CPO erschienen Alfvén CDs mit der ersten und dritten Sinfonie. Wegen der Bezugnahmen und Vergleiche habe ich bei beiden VÖs dieselbe Rezension eingestellt.
Als allererstes muss ich angesichts mancher Kommentare hier und anderswo sagen, dass ich persönlich Alfvén für einen wirklich großartigen Komponisten halte, auch wenn er vielleicht nicht "groß" oder "wichtig" ist. Ich habe ca. 20 Jahre gebraucht, um seine Tiefe und Vision und kompositorische Genialität wirklich mit dem Herzen zu erkennen. Er hat Stücke (wie die vierte Sinfonie mit dem rein "instrumental" eingesetzten Sopran und Tenor) geschrieben, die sich halt nicht gleich oder beim ersten paarmal hören in Vorstellungen einfügen. Manches brauchte bei mir wirklich ZEIT um innerlich zu reifen. Ich störte mich anfangs an mancher Weitschweifigkeit und Anmutungen von Schmalz. Das kann sich alles verlieren, wenn Sie nur die Geduld und das nicht erlahmende Interesse an Erkenntnis aufbringen. JEDE der fünf Alfvén Sinfonien hat für mich früher oder auch sehr spät ihr Geheimnis preisgegeben und sich gezeigt. Für mich kann ich folgende Reihenfolge des "Ankommens" nennen: Zuerst die Dritte, dann die Zweite, dann die Fünfte (Kopfsatz), dann die Vierte, dann die Fünfte (komplett) und zuletzt die Erste.
Natürlich gibt es noch viele andere schwedische Komponisten (ich kenne ca 20 von diesen und bewundere die allermeisten - jeden auf seine Weise) zu entdecken und zu würdigen. Viele dieser Komponisten und Kompositionen sind in ihren Anlagen, Techniken und Ambitionen m.E. ganz anders gelagert als Alfvén oder die weiter unten erwähnten und hervorgehobenen Stenhammar und Atterberg. Manche liegen "davor" in einer nationalen Romantik, andere sind - trotz "romantischer" Aspekte - kompositorisch und in den Intentionen viel mehr im 20ten Jahrhundert angekommen. Einzigartig zwischen allen Zeiten und unvergleichlich früh steht singulär Berwald und ebenso unvergleichlich danach in seiner extremen Position Pettersson. Dazwischen (und darüber hinaus) gibt es Komponisten wie Blomdahl oder viel "nüchterne" oder für den in neueren Musik ungeschulten Hörer weniger leicht verständliche Tonsetzer. Ich beschränke mich hier einfach auf Vergleiche zu zwei weiteren schwedische Komponisten der Herzgegend", die zur Zeit Alfvéns wirkten:
Alfvén ist neben dem älteren Stenhammar (die Zweite - für mich die großartigste postromantische schwedische Sinfonie!) und dem jüngeren Atterberg (ebenfalls ein großartiger Sinfonien Zyklus!) die dritte wichtige Säule der schwedischen Spät- oder Postromantik. Wenn es Stenhammar in der g-moll Sinfonie, der Serenade u.a. z.B. mit Sibelius und in seinen Streichquartetten mit den allergrößten Klassikern (z.B. Beethoven) aufnehmen kann und Atterberg ein genialer Melodiker voller Vitalität und Stimmungszauber (z.B. die langsamen Sätze der 4ten und 8ten), aber auch Mahlerscher Vision (die abgründige 5te!) ist - so ist Alfvén noch leichter zugänglich, aber (trotz - oberflächlich betrachtet - mancher Nähe zur Filmmusik) durchaus nicht substanzlos oder kitschig. Auch Alfvén ist ein gewissenhafter Komponist (thematische Arbeit!), der sind auch mehr an die Seele denn an das Gefühl (wahrscheinlich das Missverständnis, dass zu der Fehleinschätzung "sentimentaler Komponist" führt) bzw den Geist richtet: Großartig, visionär und schaurig (Choraleintritt) ist z.B. das Fugenfinale der Zweiten, vor Vitalität und Einfällen sprühend die ganze Dritte, oft extrem Intensiv und schmerzlich die Vierte (mit "instrumentalem" Gesang von Tenor und Sopran) und abgründig der Kopfsatz der Fünften (mit erstaunlicher Ähnlichkeit zum ebenfalls erschütternden Kopfsatz der Furtwängler Dritten).
Zur hier besprochenen CD:
Lukasz Borowicz führt in der ersten und dritten Sinfonie das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin erfahren, sicher und souverän stilsicher durch die Werke Alfvéns - ebenso in den vier zusätzlichen Beigabe-Stücken. Der Ton ist recht getroffen - durchsichtig intonationssicher und das Orchester ist gut geprobt und dispositioniert. Dennoch will sich bei mir keine unbedingte Euphorie einstellen. Vielleicht wäre das besser, wenn die Vergleicheinspielungen mit Alfvén selbst, Westerberg, Grevillius und Svetlanov nicht so unauslöschlich ins Ohr eingebrannt wären. Aus diesem Grund habe ich meines Erachtens die beachtlichen und letztlich auch deutlich überlegenen Alternativen hier unten angeführt. Ich kann dort mehr Vision, Mut und Feuer erleben (z.B. Finale der Dritten). Die Gesamtanlagen der ersten und dritten Sinfonie mit Westerberg, Alfvén und Grevillius sind aus einem Guss mit einer klaren Gestalt für das jeweilige Werk. Überall weht der Atem des Einmaligen Besonderen und Vitalen. Das Orchesterspiel ist bei den zumeist schwedischen Orchestern nicht besser als das des DSO Berlin, aber für mich in vielem stimmiger.
Es mag auch an der etwas pauschalen CPO-Aufnahmetechnik legen: Es gibt auch hier das etwas neblige Klangbild mit mittlerer Entfernung ohne allzu quirlige Detailfreudigkeit - wie leider bei einigen CPO-Aufnahmen...
Die alternativen Aufnahmen (Westerberg, Grevillius) klingen trotz ihres Alters deutlich frischer und präsenter als die CPO-Produktionen.
Nach wiedermaligem Hören nach längerer Zeit habe ich trotz bester Absicht die Bewertung nicht auf vier Sterne erhöhen können. Die Farbigkeit der Aufnahmen ist ja ganz gut, obwohl eben die Aufnahmen etwas "in Watte gepackt" sind. Die Linien, Strukturen und Architektur sind gut zu hören, wenn auch die Dirgenten Westerberg (in der Ersten) und Alfvén, Grevillius und auch Willén (in der Dritten) die Bedeutungen einzelner kontrapunktischer Linien und somit der Harmonieverläufe noch klarer darstellen. Der Alfvén von Borowicz ist stellenweise sehr "straussig" (z.B. im Andante der Dritten) - was ja nicht falsch ist, aber Alfvén "deutscher" macht: mächtig und im Finale der Dritten auch statischer und "gepanzerter". Mit fehlt etwas von der in der Dritten neben aller Dramatik auch enthaltenen Leichtigkeit des Seins - und das Himmelsstürmerische des Schlusses. Gleiches trifft auch auf die erste Sinfonie zu.
Bei der ersten Sinfonie mit enthalten:
DRAPA ist (wie auch FESTPEL) trotz des attraktiven Harfensolos nicht eins der allerstärksten Stücke von Alfvén. Die Aufführung ist OK.
MIDSOMMARVAKA , die "Erste Schwedische Rhapsodie", ist mit Abstand das bekannteste und zumeist gespielte Werk Alfvéns - allerdings wie bei Holsts "Planeten" oder Kodalys "Hary Janos" Suite völlig zu unrecht. So überzeugend, funkensprühend und phantasievoll das 12 minütige besonders in den USA oft gespielte "Showpiece" auch ist, so wenig lässt sich in ihm die Tiefe, Vielschichtigkeit und Ernsthaftigkeit des Komponisten erahnen.
Von Midsommarvaka gibt es eine Vielzahl an Einspielungen: Alfvén selbst zweimal, Johnson, auch zweimal Ormandy und Berglund - um nur ein paar alte und nicht ganz so alte, aber maßstabsetzende Aufnahmen zu kennen. Zudem gibt es Kamu, Järvi, Robinson ...
Borowicz bietet eine durchaus persönliche (manchmal auch eigenwillige) Lesart - hörenswert!
Bei der dritten Sinfonie mit enthalten:
BEGAKUNGEN ist in dieser Aufnahme sehr konsistent und auch dramatisch mit visionären Momenten. Der Dirigent sieht die viersätzige Suite mehr als rein sinfonisches Werk und beachtet die Absicht des "Tanzstücks" weniger. Aber das kann man so machen - und der Eindruck mag auch hier wieder an dem nicht allzu hellen Klangbild der Aufnahme liegen. Übrigens auch die wunderbaren Einspielungen (Gesamtaufnahmen) von Rybrant und besonders Svetlanov betonen das Sinfonische der Musik.
Die UPPSALA RHAPSODIE wird auch als "Zweite Schwedische Rhapsodie" (von dreien) bezeichnet. Natürlich ist der Bezug zur "Akademischen Festouvertüre" von Brahms offensichtlich. Der einleitende solistische Hornsatz ist endlich mal sauber gespielt. Bei diesem Gelegenheits warte ich immer noch auf die Aufnahme, die auch den Witz transporiert!
Interessant ist eine Stelle im Andante der Dritten, die wie dem Straussschen Heldenleben entlehnt zu sein scheint. Tatsächlich haben aber Strauss und Alfvén gleichzeitig an ihnen Werken gearbeitet. Im Finale meint man übrigens auch noch Starwars zu hören ... ob Williams wohl die Dritte kannte?
Ich bin sehr gespalten bei dieser Besprechung:
Einerseits freue ich mich darüber, dass Borowicz und das Label CPO Alfvén wagen (und es auch gut machen!) - und es ist so wichtig das Engagement zu unterstützen und die Fackel des Lebendigen durch Konzert Aufführungen und immer wieder neue Einspielungen weiterzutragen. Insofern empfehle ich die CPO-Produktion per se ...
Anderseits möchte ich Ihnen als Leser ja möglichst viel Fantasie, Erleben und Ergriffenheit und freudiges Staunen beim Hören der Werke gönnen. Und DAS bieten die alternativ genannten Aufnahmen eindeutig stärker!
Deshalb nun zum Kernstück meiner Besprechung:
Da in den Alfvén-Rezensionen beim entstehenden Bowicz Sinfonien Zyklus (bis jetzt die 1. und 3.Sinfonie) immer wieder nur die Dirigenten Järvi und Willén als Vergleich herangezogen wird, hier mir schon z.T. seit Jahrzehnten bekannte Alternativen, die m.E. wirklich herausragen:
1. Sinfonie: Westerberg(!)
2. Sinfonie: Segerstam, Svetlanov(!)
3. Sinfonie: Alfvén(!), Grevillius(!), auch Willén ist gut (wenn auch leider von Naxos ebenfalls etwas "in Watte gepackt")
4. Sinfonie: Alfvén (mit der jungen Astrid Nilsson), Westerberg, Svetlanov und auch Willén
5. Sinfonie: Westerberg (erste Fassung, also nur Kopfsatz), in der 4sätzigen Fassung Willén und mit Abstrichen auch Järvi (für mich seine beste Alfvén-Einspielung)
Hugo Alfvén ist ein Komponist, der es Wert ist entdeckt zu werden!