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chewie
03. März 2014
28 Sinfonien von Luigi Boccherini
Ich finde nicht, dass man sagen kann: "Boccherini ist wie Haydn, wenn jemand Haydn mag, dann gefallen ihm auch die Sinfonien von Boccherini." Der italienische Tonkünstler lebte lange Zeit in Frankreich und Spanien und hatte einen ganz anderen Ansatz für das sinfonische Schaffen als Joseph Haydn und die Wiener Klassiker. Luigi Boccherini gestaltete seine Sinfonien höchst individuell. Es kann hier keineswegs von Nachahmung gesprochen werden. Viele Sinfonien weisen Alleinstellungsmerkmale auf, die sich sonst nirgendwo finden.
Die Sinfonie in C (G491) zum Beispiel wendet einen Scheinschluss an, und zwar gleich zweimal - im ersten und im dritten Satz. Der Hörer glaubt am Ende des Satzes bzw. Werks angekommen zu sein, da stimmt das Orchester noch einmal das Hauptthema an. Dass derselbe "Kniff" zweimal verwendet wurde, lässt aufhorchen, passt aber gut zur Einheit und der Gesamtkonzeption der Sinfonie.
Die Sinfonie G523 weist in der Besetzungsliste eine Gitarre auf, die - man höre und staune - einige Solopassagen zu bestreiten hat.
Die Deutsche Kammerakademie Neuss unter Johann Goritzki spielt die feinen Melodien und Harmonien Luigi Boccherinis mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und der nötigen Verve. So bekommen wir 28 allerfeinste Sinfonien zu hören, die sich keineswegs hinter den Werken deutlich bekannterer Komponisten verstecken müssen.
Zu seiner Zeit war Luigi Boccherini ein hochgeschätzter Komponist und Künstler (Cello), auch Musiklehrer. Seine große Meisterschaft ging in den Jahrhunderten unter, und viele Einzelheiten lassen sich nicht mehr rekonstruieren, weil die Unterlagen in den Wirren des Spanischen Bürgerkriegs 1936 wohl für immer verloren gingen. Dennoch ist er ein Künstler, den zu erforschen sich lohnt. Bei ihm gibt es viel zu entdecken.
Hier in Kurzfassung und als Beispiel einige Besonderheiten in den Sinfonien:
Sinfonie G491:
Solopassagen für zwei Violinen und Cello
Hörnerpassagen lassen aufhorchen
Scheinschlüsse
Sinfonie G523:
Akkustische Gitarre mit Soloeinlagen und Rhythmusaufgaben
Insgesamt hat Boccherini mit seinen Sinfonien viel Neuland betreten, und auch wenn sich nicht alles, was er ausprobiert hat, letztendlich durchsetzen konnte (dazu war er vielleicht zu weit vom eigentlichen "Ort des Geschehens", Wien, entfernt), so zeigen seine Werke doch einen erfindungs- und experimentierfreudigen Komponisten, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist und dem nun Gerechtigkeit widerfährt, indem immer mehr seiner Werke eingespielt werden.
Mein Dank geht an die Damen und Herrn von CPO - dafür, dass sie diese Einspielungen ermöglicht haben. Und an die Deutsche Kammerakademie Neuss und Johannes Goritzki, die zeigen, wie feingliedrig und dennoch kraftvoll sie spielen können. Einziger Wermutstropfen: Die einzelnen Tracks sind recht leise abgemischt/gemastered. Hier hätte noch mehr drin sein können. Dennoch: Für dieses Unterfangen gibt es von mir nicht weniger als 5 güldene Sterne.