5 von 5
jommelli
Top 50 Rezensent
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Alter:
35 bis 44
-
Geschlecht:
Männlich:
09. Oktober 2010
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Beglückende Entdeckungen
Wer bei der vorliegenden Graupner-CD prunkvollen und leichtgängigen Weihnachtsjubel á la Telemann erwartet, wird zunächst vielleicht etwas irritiert sein. Was die Besetzung anbelangt, gibt sich der Darmstädter Hofpaellmeister unspektakulär: 4 Solostimmen und eine kleine ebenfalls solistisch besetzte Instrumentalgruppe aus Streichern und Oboen mit Continuo, mehr nicht. Und doch präsentiert das vorzügliche Ensemble unter Leitung von H.Max hier einen atemberaubend dichten musikalischen Kosmos. Komplex polyphone Passagen nach bewährter Barockart wechseln mit hochvirtuosen, manchmal fast opernhaften Koloraturpassagen im damals modernen galanten Stil ab. Verblüffend ist hier, mit welcher Virtuostät, ja oftmals geradezu bizarren Eigenwilligkeit in Metrum, Rhythmus und Melodik der Komponist zu einer hochindividuellen Ausdeutung der sperrigen Texte gelangt. Diese eigenwillige Klangrede ohne direkte Vorbilder kann besonders den heutigen gebildeten Hörer ansprechen, für die Zeitgenossen Graupners mögen derartige Experimente eher befremdlich gewirkt haben.
In dieser eigenwilligen Mischung aus formalem Konservativismus und gleichzeitig einer für die Zeit um 1740 nahezu avantgardistischen Klangsprache drängt sich ein Vergleich mit Bach oder Zelenka auf, die ja ebenfalls in formal traditionsverbundenen Gattungen ihre kühnsten Ideen und ihre ganz persönliche Sicht der empfindsamen Klangsprache der angehenden Frühklassik erprobten. Interpretation und Klang sind über jede Kritik erhaben. So wird diese CD zu einer der beglückendsten Barock-Neuveröffentlichungen der letzten Zeit. Uneingeschränkte Kaufempfehlung!