4 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
19. September 2016
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
Netrebkos sanguinisches Verismo
Die zurzeit unbestrittene Star-Sopranistin Anna Netrebko hätte nach ihrem erfolgreichen Verdi-Album, vergleichbar mit dem des ebenso kultigen Tenorstars Jonas Kaufmann, ihr neues doch eher schlicht als 'Puccini-Album' veröffentlichen sollen, denn sie singt doch überwiegend Puccinis kaum veristische Frauennummern von unterschiedlich verstörten weiblichen Psychen wie Manon (deren gesamten Schlussakt-Abgesang mit ihrem bemühten Partner Yusif Eyvazov), Tosca, Butterfly, Liu und komplimentär diese mörderische Turandot, die das DG-Marketing wohl besonders inspiriert haben könnte:
Ein versierter Musikkritiker schrieb dazu, das 'Verismo'-Cover offeriere eine "fashionfreudige, nicht immer geschmackssichere Russin als eine zur 'Turandot' verkleidete Vogelscheuche". Flott-pikante Bemerkungen eines Profis, offenbar noch unbestechlich.So etwas wagte ich als kritischer Dilettant eher zu umschreiben, zumal es auf die vokale Geschmackssicherheit der Netrebko letztlich nur ankommt.
Puccinis gebrochene Charaktere hin, Verismo a LaWally her - dem nahe ist allerdings ihr üppiger, inzwischen verdunkelt-schwerblütiger, zumal dramatisch sich voll in der Höhe frei entfaltender und doch samtig tembrierter Wohllaut. Eleonore Büning war in der FAZ von dem Salzburger Auftritt der Netrebko schlichtweg hingerissen, na, immerhin. Und schrill klingt da nichts, allerdings auch (zu) wenig subtil, verschattet und mezzo-differenziert artikuliert. Trotz der vocalistischen Reizüberflutung klingt manches auf die Dauer nurmehr eintönig schön und, tja, leider auch charakterlos.
Verglichen mit den wirklich vokal wie sozio-psychologisch einzigartig von der Callas (der Netrebko durchaus vergleichbar im Alter) gestalteten Figuren der Andrea Lecouvreur, Chenier (La Mamma Morta) und Wally (Ebben?) und auch Puccinis Manon oder Butterfly singt die Netrebko doch erstaunlich eindimensional und konturenlos, wenn auch der Vergleich mit Callas selbst für eine Netrebko zu hoch gegriffen ist.
Die Santa-Cecilia-Musiker unter Pappano klingen auch nicht wie das Philharmonia Orchestra unter einem Serafin, aber wie versiert und engagiert deklarierende Adjutanten für ein Star-Album der russischen Diva. Deren erwartungsvolle Fans werden nicht enttäuscht.