Sergei Prokofiew - Eine Retrospektive
Zuerst die Schwächen. Die Angaben sind nicht immer ganz korrekt. Das "5.Klavierkonzert" wurde im März 2016 in St. Petersburg aufgenommen und die vierte Blu-Ray hat nur englische Untertitel. Darüber hinaus ist die Angabe "alle Konzerte" falsch, das erste Cellokonzert fehlt. Es folgt die positive Seite.
Valery Gergiev dirigierte oft die Musik von Sergei Prokofiew, schon einmal aufgenommen beim Osterfestival, wie zu sehen ist, im Film "On the Way". Das "Orchestra of the Mariinsky Theatre" ist der ideale Partner für diese Musik. Prokofiews Musik ist groß-besetzt und braucht ein fähiges Orchester. Was gesagt werden muss, alle Stück (bis auf eine Ausnahme) entstanden am 23 und 24 April 2016. Zu erst aber zum 5. Klavierkonzert, welches am 26.03.2016 in Sankt Petersburg aufgenommen worden ist. Es ist 1932 komponiert worden und das hört man. Prokofiew hatte ganz nette Ideen beim Komponieren, aber an die Virtuosität und Lyrik des 2. bzw. 3. Klavierkonzerts kommt es nicht heran. Zu diesem Ausschnitt lässt sich sagen, dass die Kameraführung etwas anders ist und ein paar Details in der Orchesterarbeit verloren gehen. Vadym Kholodenko, das Orchester und Gergiev musizieren auf einem hohen Niveau.
Am 23.04.16 war das Orchester mit Gergiev morgens in Moskau und spielten die erste und zweite Sinfonie, das erste Violinkonzert, das erste Klavierkonzert, der Kantate "Seven, They are Seven" und die populäre "Scythian Suite". Die erste Sinfonie ist die Sinfonie, die im Stil von Haydn komponiert worden ist. Es ist die einzige Aufnahme, die klanglich etwas schwächer ist, zum Beginn sind vereinzelt Nebengeräusche zu hören. Die zweite Sinfonie ist mechanisch, welches Gergiev ausgekostet und so die Musik anhebt. Das führt dazu, dass die Sinfonie nicht als "störend" empfunden wird, wie sie leider oft beschrieben wird.
Leonidas Kavakos ist ein sicherer Geiger, der auch beim ersten Violinkonzert von Prokofiew zu glänzen weiß. Das Werk ist ein Beispiel für Prokofiews Experimentierfreude und schwer zu spielen. Das erste Klavierkonzert ist ebenfalls so ein Experiment. Ist es doch eigentlich einsätzig komponiert. Ungewöhnlich besetzt mit dem Glockenspiel in den ersten und dritten Abschnitt. Denis Kozhukhin spielt virtuos.
Zur Kantate "Seven, They are Seven" tritt der "Chorus of the Mariinsky Theatre" zum ersten Mal auf. Der Chor brilliert und weiß zu begeistern. In Piano als auch in Forte. Tenor Igor Morozov wird hier und da von der großen Besetzung etwas überdeckt. Die "Scythian Suite" ist Prokofiews "Sacre". Claudio Abbados Aufnahme aus den späten 1970er-Jahren ist zu vergleichen mit dieser hier. Beide Dirigenten versuchen die lyrische Seite der "Suite" hervorzuheben und lassen die Soli der Holzbläser nur so zaubern.
Das Orchester, der Chor und Gergiev flogen nach dem Konzert nach St. Petersburg, wo sie nachmittags bzw. abends folgende Werke spielten: die dritte Sinfonie, das zweite Violinkonzert, das zweite Klavierkonzert und die Kantate "For the 20th Anniversary of the October Revolution". Die 3. Sinfonie enthält als einzige Sinfonie von Prokofiew (Röhren-)glocken. Kristof Barati spielt das zweite Violinkonzert, welches im Piano eröffnet wird. Interessant ist nach wie vor das Fehlen der Pauken, welches dafür sorgt, dass die Prokofiew'sche omnipräsente Große Trommel noch präsenter wirkt. Virtuos und äußerst perfekt wird das zweite Klavierkonzert mit Denis Matsuev. Am Ende des letzten Satzes "Finale. Allegro tempestoso" springt Matsuev nach dem finalen Akkord auf und bekommt einen Jubel, den er verdient hat. Selten sah man eine solche Spielfreude. Der Zwischenapplaus nach dem zweiten Satz "Scherzo. Vivace" zeigt wie sehr das Publikum in Sankt Petersburg ihn liebt. Am Ende des Abends stand die Kantate an. Zusätzlich zum riesigen Orchester, befand sich eine Banda auf der Bühne. Extra Trompeten, ein Horn, drei Euphoniums, eine kleine Trommel und sieben (!) Akkordeons. Zu hören sind ebenfalls Sirenen. Prokofiew hatte große Ideen und schrieb sie brillant für Orchester und Chor. Gergiev und das Orchester haben einen hervorragenden Tag gehabt und spielten 10 Werke von Sergei Prokofiew.
Am 24.04.2016 folgenden die Sinfonien vier bis sieben, das Sinfoniekonzert für Cello, das dritte und vierte Klavierkonzert, die Kantate "Alexander Nevsky" und das Oratorium "Ivan, the Terrible". Die Sinfonien sind allesamt gut bis sehr gut gespielt. Am ungewöhnlichsten die siebte. Ist sie doch an vielen Stellen fröhlich und klingt nach beginnenden Frühling. Die Concertante ist von Alexander Ramm gut gespielt, doch Prokofiew legte dieses Werk stellenweiser sehr lang an. Man muss den sanglichen Charakter des Cellos mögen, sonst ist es ein wenig "farblos". Nichtsdestotrotz spielt das Orchester unter der Leitung von Gergiev wach und ist immer präsent. Danill Trifonov spielt das dritte Klavierkonzert. Mein Favorit von den Klavierkonzerten, hat es doch einen lebhaften ersten Satz, der uns immer wieder in all den Aufnahmen begegnet, als Opening der einzelnen Werke. Am Ende jedes Werks erklingt die "Gavotte", mit der der zweite Satz des dritten Klavierkonzerts beginnt. Trifonovs Spiel ist angenehm zu beobachten und die dritten Klavierkonzerte liegen ihm besonders. Ist er doch am Silvesterabend 2016 mit dem dritten von Rachmaninoff in der Berliner Philharmonie zum neuen Klavierstar aufgestiegen. Ähnlichkeiten mit Igor Levit werden immer wieder genannt. Das vierte Klavierkonzert ist völlig anders, ist es doch für Paul Wittgenstein komponiert worden, der im ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verlor. In der Gattung "Klavierkonzerte für die linke Hand" gibt es nur ein Vertreter, der besonders populär ist und das zurecht. Das "Klavierkonzert für die linke Hand" von Ravel. Prokofiews Werk wird von Sergei Redkin gespielt. Das Klavier klingt dosiert und heimlicher Star ist mal wieder die Große Trommel, die als einziges Schlaginstrument besetzt ist.
Es folgt die Kantate "Alexander Nevsky". Wieder einmal sei auf das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker verwiesen. Ihr Silvesterkonzert 1999 unter Claudio Abbado mit dem RIAS Kammerchor und dem Rundfunkchor Berlin beinhaltet das "Finale" der Kantate. Mein erster Berührungspunkt mit der Musik der Kantate. Die vollständige Kantate ist ca. 38 Minuten lang und neben dem brillant orchestrierten Finale hat sie einen Höhepunkt. Wenn in einer Atmosphäre von "fast Stille" der Mezzosopran Olga Borodina ihre ersten Noten singt. Es sind zwar schon 30 Minuten herum, die vor allem Forte waren, doch diese kleine Atempause ist der Zauber der Musik von Sergei Prokofiev. Für das Oratorium "Ivan, the Terrible" hat man dann den Mezzosopran mit Yulia Matochkina besetzt. Von der Gesangszeit her, waren beide Auftritte eher klein und Yulia Matochkinas Auftritt wird vom Sprecher Alexei Petrenko tangiert. Alexei Petrenko war ein russisch-ukrainischer Schauspieler, der 2017 verstarb. Gergiev und er traten öfter zusammen auf. Alexei Petrenko spricht seine Rolle perfekt und auch wenn man nur aufgrund des Untertitels die Sprache versteht, ist es eine Wohltat. Schade, dass solche Werke so selten in den deutschsprachigen Ländern aufgeführt werden. Auch wenn sie von der Thematik heute eher schwierig sind, sind sie beeindruckend komponiert. So ein herrlicher Moment ist das Solo vom Bass Mikhail Petrenko. Man sieht im ganzen Orchester, im Chor und im Auditorium ein Lächeln und es zeigt, wie Musik Menschen berühren kann. Das Oratorium belang besonders gut und war ein guter Abschluss für das Konzert. Man hat die Musik von Sergei Prokofiew so gerecht gewürdigt. Dass nicht alle Werke gespielt worden sind, ist vielleicht ein kleiner Wehrmutstropfen, der aber schnell verfliegt.