3 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
01. Juni 2019
Gesamteindruck:
3,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
2,0 von 5
Schumann aus deutscher Tradition
Christian Thielemann, als erster deutscher Stardirigent der Labels Deutsche Grammophon und Hännsler Klassik Profil gehandelt, wird nunmehr von Sony-Music geehrt zu seinem 60ten Geburtstag, mit der Veröffentlichung der vier Schumann-Sinfonien, die im Oktober des vergangenen Jahres in der Suntory Hall in Japan live mitgeschnitten wurden.
Diese Aufnahmen kommen allerdings weniger 'live' als mehr wie im Frack zelebriert daher, weniger als ein Schumann, der, greater than life ambitioniert, musikalisch mehr verspricht, als das höchst zivilisierte japanische Publikum ahnen kann.
Wir hören Schumann durchweg mit schwerem brahmsischen Atem, moderat und etwas übergewichtig und zu wenig nuanciert gespielt und ohne markante Spiel- und Ausdrucksvarianten zwischen dem suchend drängenden, stürmisch-freudigen Aufbruch seiner Frühlings-Sinfonie, über die klassizistisch bewegten 2ten und 3ten Sinfonien bis zu dem langen musikalischen Atem seiner kühnen, quasi monothematischen Variationen über einen grossen mehrteiligen Satz, seiner damals doch avantgardistisch und zukunftsweisenden 4ten Sinfonie - Schumanns grösste, womöglich autobiografische, sinfonische Tondichtung.
Die Spanne von noch biedermeierlicher Romantik zu revolutiönärem sinfonischem Aufbruch wird hier von Thielemann und seiner Staatskapelle pastos vermengt zu klangschönem philharmonischem Groko-Sound.
Seine älteren DG-Aufnahmen mit dem Londoner Philharmonia-Orchestra klangen da eindeutig neugierig differenzierter und dem Komponisten adäquat gebrochen näher, als hier prätentiös souverän und wie aus einem Guss gespielt.
Wem Schumanns Sinfonien eher traditionell, also wie von Busch, Walter, Szell, Bernstein u.ä. oder eher a-jour, so wie von Gardiner, Järvi oder auch Harnoncourt gespielt zusagen, der könnte dieses neue Thielemann-Schumann-Replay bereits als dated empfinden.