5 von 5
Musaion
Top 100 Rezensent
07. April 2021
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Sensationelle Gesamtleistung
Die römische Oper hat es geschafft, was in den letzten Jahrzehnten kein anderes renommiertes Wagner-Opernhaus vermochte - eine durchgehend hochklassige Ensemble-Leistung mit vernünftiger Inszenierung und sehr guter Orchesterleistung. Bravissimo!!!
Andreas Schager bietet den besten Tristan aller Video-Bühnenaufzeichnungen, denn er beherrscht sowohl ein feinfühliges Piano, als auch ein heldisches Fortissimo in den Fieberextasen des 3. Aufzuges. Man hat beglückenderweise dabei nie den Eindruck, dass er seine vokalen Grenzen überschreiten würde. Auch darstellerisch ist er sehr eindrucksvoll und überzeugend. Seine Konkurrenten sind entweder in Punkto Textverständlichkeit/Idiomatik schlechter (West/Heppner/Smith) und/oder stimmlich begrenzter/überforderter (West/Gould/Smith/Jerusalem/Kollo). Decker ist ein guter Tristan, aber darstellerisch unbeteiligter. Nur Vickers ist stimmlich und darstellerisch ebenbürtig oder leicht überlegen, aber die Live-Aufzeichnung der Freilichtaufführung aus der Provence ist altersgemäß technisch schwach und lässt nur für Melomanen die Größe und Bedeutung der Aufführung erahnen.
Rachel Nicholls bietet eine Isolde von geradezu jugendlicher Frische: engagiert dramatisch im 1. Aufzug, aber ohne Härten und Schärfen und mit wundervollen lyrischen Momenten in den folgenden Aufzügen. Darstellerisch ist sie auch überzeugend sowohl rachedürstende irische Prinzessin und große Liebende und braucht sich vor der Konkurrenz seit Nilsson nicht verstecken, sondern führt das Feld eher sogar an (Meier/Stemme.... Behrens).
Michelle Breedts Brangäne ist auf gleich hohem Niveau - leidenschaftlich involviert und wunderbar gelöst im 2. Aufzug bei den Habet-acht-Rufen.
Ein besonderer Pluspunkt ist Brett Polegatos Kurwenal. Optisch-darstellerisch für meinen Geschmack exzellent und rollenadäquat, kann er auch stimmlich voll überzeugen. Endlich einmal nicht zweitklassig besetzt.
Gegen dieses Spitzenquartett hat es der Marke Relyeas etwas schwer, aber er macht seine Sache gut und überzeugend, wenngleich er kein Moll oder Salminen ist.
Gatti entpuppt sich als guter Dirigent für dieses Werk mit breitem, aber differenziertem Fluss und dramatischen Akzenten, der auch Rücksicht auf die Sänger nimmt.
Die Inszenierung ist sehr reduziert mit einigen Lichtblicken (z. B. optische Lichteffekte) und einigen Merkwürdigkeiten (warum die Tränke unbedingt Mineralbrocken sein müssen, erschließt sich mir nicht) - insgesamt aber vor dem Hintergrund moderner Inszenierungsuntaten in Ordnung. Felsensteins ähnlich reduzierte Inszenierung aus Dessau ist da aber insgesamt überzeugend stimmiger. Manchmal ist noch weniger doch mehr.
Jedem Einsteiger und Melomanen dringend zu empfehlen!