4 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
26. Mai 2019
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
2,0 von 5
Neu-Berliner Pathetique
Primär erstaunlich ist m.E. die B-Phil-Auswahl als philharmonische Visitenkarte des neuen Chefs mit dieser zu Genüge allzubekannten und nicht selten auch abgedroschen runtergespielten Tchaikovsky-Sinfonie, die auch ein noch so engagiert agierender Petrenko mit seinem Herzblut kaum mehr neu ausleuchten und deuten kann,
allem PR-Gedöns, vor allem lokalen Kultur-Hype-Geschrei, zum Trotz.
Und wer eine von diesen Philharmonikern! gut gespielte Pathetique als Beleg für zukünftig Grosses offiziell verlautbart, dem sind musikalische Maßstäbe wohl abhanden gekommen, zumal Petrenko mit 'seinen Berlinern' nun letztlich u.a. eine exzellent disponierte und realisierte 7te Beethovens, einen ernsthaft ausgehörten Mozart und zwei sinfonische Strauss-Dichtungen nicht nur klangsinnlich erstrangig geboten hat.
Immerhin, Beethovens 7te, so nachrevolutionär gemeint und auch so von Petrenko dirigiert, zudem ein Verkaufsschlager, wäre die respektable Visitenkarte für Zukünftiges mit den Berlinern gewesen und nicht eine weinerliche Schmerzensmann-Pathetique, die übrigens kein Geringerer als Mahler als Salonmusik titulierte.
Manch menschlich-musikalische Befindlichkeit bewegt sich immerfort in postpubertären Gefühlswelten und kommt, wie mein Musiklehrer einst ironisch meinte, nicht über eine SchicksalsSinfonie hinaus ... wer weiss?
Toscanini und Mitropoulos haben früh in NY 1947/60, gefolgt von Mravinsky in London den Maßstab gesetzt, nicht zuletzt auch der Berliner Karajan, dessen 1966er 4-6-Zyklus aus der Christus-Kirche auch zu den klangtechnisch besten gehört.
Kirill Petrenko bewegt sich allemal auf einem hohen Markevitch-Dorati-Swetlanov- oder Jansons-Level, zumal mit diesem erstklassig disponierten Orchester, das ja keinen Vergleich zu scheuen braucht. Ich habe einen Abend live in der Philharmonie und einen live in der hauseigenen 'DCH' erlebt, durchaus unterscheidbar.
Beide Abende waren bzw sind musikalisch eindrucksvolle und überzeugend passionierte Dirigate, keineswegs "schnöde Handwerkskunst", wie hier andernorts dumm behauptet wird.
Wer Petrenko in München und Berlin erlebt hat, hört und sieht einen außergewöhnlich intensiv insistierend agierenden Dirigenten, den nicht kalt lässt, was er dirigiert, selbst wenn es wie hier, vergleichsweise nicht überragend ist. So what?
Wie gesagt und allen Ernstes betont, Petrenkos Beethoven-7 und Straussens Don-Juan wären die musikalischen Visitenkarten-Knaller mit den B-Phil gewesen. Man hat leider anders entschieden.