3 von 5
EdlerTropfen
21. Oktober 2016
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
2,0 von 5
Zögerlicher Sturm
Die sympathische Sophie Pacini, 24 Jahre jung, hat hier ihre bereits vierte CD-Veröffentlichung vorgelegt, nun erstmals als Exklusivkünstlerin für Warner. Professionell ist nicht nur die äußere Aufmachung des Albums: Das Booklet, obwohl schmal, enthält einen umfangreichen und gut geschriebenen Text über die eingespielten Werke von Beethoven und Liszt, während man auf einen Lebenslauf der Künstlerin, deren Karriere schließlich noch am Anfang steht, bewusst verzichtet hat.
Beethovens Waldsteinsonate und bekannte Klavierwerke von Liszt stehen auf dem prall gefüllten Programm, und das lässt auf eine virtuose Ader der Interpretin schließen. Dabei ist Pacinis Spiel weit davon entfernt wild und rauschhaft zu klingen. Sie gestaltet stattdessen mit feinen und hellen Klangfarben, wählt gemäßigte Tempi, meidet oberflächlichen Donner.
Das Ergebnis ist streckenweise durchaus reizvoll, etwa im Finale der sechsten Ungarischen Rhapsodie, in dem Pacini eine fröhliche Anmut verströmt, statt wütend zu toben. Auch Beethoven steht das leuchtend-helle Gewand sehr gut und ist dem silbrigen Klang der Instrumente, für die das Werk einst geschrieben wurde, sogar erstaunlich nah. In ihrem Element ist Pacini in den Liszt-Consolations (Nr. 1&2) und dem Liebestraum Nr. 3 allemal.
Allzu oft aber wirkt Pacini zögerlich, besonders in der Tannhäuser-Ouvertüre: Immer wieder bremst sie hier den musikalischen Fluss, setzt die abwärts gerichteten Oktavfolgen ein ums andere Mal neu an. Auch in den lyrischen Abschnitten gestaltet sie mit viel Agogik, dehnt auch hier das Metrum über Gebühr und verliert letztlich den roten Faden und die dramatische Zugkraft, die diese Komposition zweifellos impliziert.
Noch überraschender und befremdlicher wirken die Dehnungen in Beethovens Waldstein-Sonate: Jed Distler betont im Booklet noch die vergleichsweise schlichte Harmonik, die der Komponist in seinem op. 53 einsetzt. Und doch hält Pacini immer wieder verzückt vor Harmoniewechseln inne, statt den Drive aufrechterhalten und das rhythmische Profil zu schärfen. In der langsamen, improvisatorischen Einleitung zum Finalsatz wäre eine gewisse rhythmische Freiheit natürlich angebracht. Aber auch hier wird Pacinis Liebe für Details zum Verhängnis, wenn sie ihre und unsere Aufmerksamkeit auf Intervallsprünge richtet, statt große Bögen zu ziehen und Spannung aufzubauen für das, was kommt.
Bei aller Hochachtung vor dem vielversprechenden Ansatz wirken die Interpretationen doch noch unausgegoren. Aber wer weiß, was da noch kommt…