4 von 5
jommelli
Top 50 Rezensent
13. November 2015
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Rameau light
Freunden französischer Barockmusik ist sicherlich die fulminante Ouverture zu dem 1745 entstandenen und ein Jahr später überarbeiteten „Temple de la gloire“ bekannt. So ist es sehr erfreulich, nun zum ersten Mal das gesamte Werk kennenlernen zu können, da die einzige, gekürzte Einspielung unter J.C.Malgoire von 1982 nur auf LP existiert. Doch leider folgt dem raffiniert instrumentierten Geniestreich zu Beginn (die aparten Piccoloflöten und Hörner tauchen erst wieder gegen Ende des letzten Aktes auf) eines der konventionellsten Bühnenwerke, die ich von Rameau kenne. Das liegt sicherlich auch an dem schwachen Libretto Voltaires, das ziemlich schamlos der Idee des französischen Absolutismus unter Louis XV huldigt und in dem sich der große Aufklärer und geistige Vater der französischen Revolution wieder einmal in seiner ganzen widersprüchlichen Janusköpfigkeit präsentiert. Zwar gibt es gravitätische Chöre, elegante Orchestersätze und einige wenige virtuose Arien (darunter eine spektakuläre Vogel-Arie mit der das Stück endet), doch hatte ich hier wie selten sonst bei Rameau das Gefühl der geschickt, aber recht uninspiriert angewendeten Schablone. Hinsichtlich der Qualität der Aufnahme ist ein eindeutiges Urteil schwer: Während die Soprane und der Chor erstklassig sind, gibt es Defizite bei den männlichen Sängern: Matthias Vidal verfügt zwar über einen hellen, sehr maskulinen Tenor und macht insgesamt einen guten Job, scheitert aber doch an der Höhe und Leichtigkeit der für den großen Haute-Contre Jélyotte geschriebenen Partien. Hier hat J.P. Fouchecourt nie erreichte Maßstäbe gesetzt. Der Bass von A. Bouet agiert insgesamt recht schwerfällig. Am stärksten hat mich die Entscheidung des Dirigenten gestört, das Cembalo nur bei den Rezitativen und klein besetzen Solostücken zu verwenden, wodurch eine ganz wesentliche Klangfarbe fehlt und der Orchestersatz Rameaus sehr ausgedünnt klingt. Der Verzicht auf das durch Quellen klar nachgewiesene Tambourin in den Tänzen trägt auch nicht gerade zur Klangbereicherung bei, zumal der Klang von „Les Agrémens“ an und für sich recht zart und etwas dünn ist. Insgesamt schwankt meine Bewertung zwischen 3 und 4 Sternen, passt aber wegen des hohen diskographischen Werts und der opulenten Aufmachung als reich illustriertes Buch (deutsche Einführung inklusive) besser in den oberen Bereich. Rameau-Freunde können mit einer guten, aber nicht perfekten Aufnahme ihre Sammlung komplettieren.