5 von 5
Anonym
06. Mai 2020
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
anderer Blickwinkel auf einer der meistgespieltesten Passionen
Es gibt Werke von denen gibt es bereits so viele gute Aufnahmen, da kann man sich schon fragen warum sie immer noch Jahr für Jahr neu aufgenommen werden. Gerade für Bachs Passionen existieren gewissermaßen common sense Fassungen mit gar nicht so großen Unterschieden in der Interpretation. Feinheiten, Nuancen und andere Sängerstimmen geben hier den Ausschlag und ab und an wird etwas neues probiert und prallt mit wechselhaften Erfolg auf die tradierten Aufführungen.
Bei dieser Aufführung wurde sich für die zweite Fassung der Johannes Passion von 1725 entschieden. Nicht nur eine interessante Version mit den größten Abweichungen zur bekannten Fassung, sondern mit veränderten Anfangs- und Schlusschor auch mehr Raum für die ungewöhnliche Besetzungsidee gebend. Das Vokalensemble Ælbgut und die Instrumentalisten der Wunderkammer singen und spielen gänzlich solistisch, einen Dirigenten gibt es nicht. Die originale Besetzung Bachs ist ja immer noch hoch umstritten, es gibt viele Fürsprecher für solistische Sängerbesetzung und deutlich kleinere Orchesterbesetzungen.
Es ist erstaunlich wie schnell sich das Ohr an den so anderen, aber transparenten Klang gewöhnt. Insbesondere die Choräle werden zu intimen Kleinoden dieser Passion. Nicht nur die Textverständlichkeit im Sinne der erkennbaren Silben, sondern im wahrsten Sinne des Wortes 'Verständlichkeit des Textes' mit all seinen Satzstrukturen, Silbenfluss und Sinn fließen hier natürlich und ohne den Zeigefinger der Interpreten die Choralzeilen entlang. Das die Instrumente sich hier so nahtlos einfügen spricht für die Erfahrung und kammermusikalischen Fähigkeiten aller Beteiligten. Auch die Erzählung des Evangelisten und die Arien passen sich durch die verhältnismäßig jungen und frischen Stimmen wunderbar in diese intime und unprätentiöse Aufnahme ein.
Auch für den Besitzer einer guten Einspielung der Johannespassion ist diese hier eine durchaus lohnende Entdeckung und würdiger Nachbar im CD Regal.