5 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
07. Dezember 2018
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Der freie Bach
Wenn der 'Liebe Gott' der Musik (Debussy) so wie 'ein freies (musikalisches) Land' ist - was ein Isländer womöglich anders als ein Sachse versteht -, dann hat Vikingur Olafsson dessen weiten Horizont nicht nur verbal im Beiheft höchst reflektiert argumentierend deutlich umrissen, sondern auch klanglich beglaubigt, mit feinem, wenig sentimentalisierenden und ruhig-klarem Spiel und durchweg meist zügigen, moderaten pianistischen Markierungen.
Bachs Musik ist für ihn übermenschlich grosse Kunst und Paradoxon unglaublich reicher Vielfalt des Ausdruckspotentials einerseits, dagegen auffallend sparsamer stilistischer Diktion.
Es gibt kaum Spielangaben zu Tempo, Dynamik, Phrasierung und Artikulation, und der Interpret muss heutzutage seine Kenntnis über den hist.Stil abwägen mit seiner eigenen, zwangsläufig eher modernen Auffassung.
Und Olafsson überzeugt plausibel, dass Bachs Klaviermusik durch ihre prinzipielle Offenheit ein musikalischer Spiegel für unterschiedliche Generationen von Pianisten ist, modern, jenseits aller Moden und Geschmack, immer en vogue, trotz veränderter Spielweisen von gestern zu heute, von Fischer über Tureck und Lipatti zu Gould, Gulda, Perahia usf.
Olafsson ist ein beredter Anwalt seiner Bach-Sicht und seiner ganz persönlichen, den Universal-Spieler Bach umfassenden Stückauswahl.
Nach div. Präludien und Fugen, Inventionen und Sinfonien, setzt er die italienischen Aria variata BWV-989 ins Zentrum seiner Spielabfolge und offeriert nebenbei Busoni- und eigene Transcriptionen und die original Bachsche eines Oboenkonzerts von Alessandro Marcello in d-moll, BWV 974.
Das Finale (mit Motivverwandtschaft zum G-Dur Eingangs-Präludium) bietet Bachs grosse, tiefgründige a-moll Fantasie und Fuge, BWV 904. Ein adäquater Abschluss dieses fein edierten, komplexen kleinen Kompendiums souverän und klangschön gespielter Bachscher Klaviermusik.
(Nur das 'erklärende' Nachwort von Dr. Dorothea Walchshäusl klingt mehr redundant als profund)