5 von 5
griba
10. September 2015
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Wahre h-moll Messe - Ersteinspielung "Dresdner Fassung" von Kyrie & Gloria
Sowohl Rademann als auch der Carus-Verlag bieten hier das Innovativste seit Jahren in Bezug auf die durch Bach vertonten Teile des Mess-Ordinariums, die landläufig als "h-moll Messe" oder "Hohe Messe in h" bzw. die "Catholische Messe" bezeichnet werden.
Die Aufführung ist auf allerhöchstem Niveau, ein Quantensprung für die Gächinger Kantorei Stuttgart, die sich damit, zum Glück, von dem deutschen Kantorenstil Rillings, handwerklich hervorragendes Musizieren, aber nicht mehr, endgültig verabschiedet. So manche gute Kantorei in Stuttgart, dazu noch mit dem Anspruch der historischen Aufführungspraxis, leistet, was Rilling & die Gächinger leisteten, auch! Rademann macht aus den Gächingern deutlich mehr. Weiter so!
In Bezug auf die Ausführung sind zwei Dinge klar zu bemängeln:
1.) Hin & wieder wechselt die Aussprache des Lateins, an machen Stellen scheint eher die italienische Aussprache durchdringen zu wollen. Dabei wäre, ob der Widmung an den Dresdner-Hof, der italienisch geprägt war, zu überlegen, ob nicht auch eine konsequent italienische Aussprache im Sinne der historischen Aufführungspraxis sinnvoll gewesen wäre, & damit sind wir beim zweiten Punkt.
2.) Die Altistin scheint mit ihrer Aufgabe überfordert und/oder gelangweilt zu sein, bei ihr will so gar nicht der Funke überspringen, sie klingt eher neutral & langweilig, die Stimme wenig gerade, insbesondere das Agnus Dei leidet darunter sehr & man hätte sich die Frage stellen sollen ob nicht ein Altus, als Alternative für einen Kastraten, eine besser Besetzung gewesen wäre. In Dresden hätte man um 1733 die Partie wohl mit einem Kastraten oder Falsetisten besetzt!
Zum Thema konsequente Einspielung von Kyrie & Gloria nach den Dresdner Stimmen muß klar darauf hingewiesen werde, das Rademann/Carus nicht die ersten sind die dies tun. So gibt es mindestens eine Einspielung der Missa 1733 unter Harnoncourt (1972!) & eine wirklich empfehlenswerte & fulminante mit Rapahael Pichon (aus dem Jahre 2011, Notentext nach NBA), die diese Lorbeeren verdient haben.
Und was ist die "Wahre h-moll Messe", bei einer derart komplizierten und schwierigen Quellenlage.
Bestenfalls ist es die Annährung, an eine durch den Quellenbestand, fassbaren, erstellbaren Fassung dieses Werkes.
Wie Bach sein Werk wirklich vom Notentext her dargestellt haben wollte, werden wir mit den derzeit verfügbaren Quellen nicht mehr ergründen können (und vielleicht auch nicht sollen.) Alles ist nur ein "so hätte es sein können"! Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Und trotzdem, eine hervorragend Neueinspielung, mit einem neuen Blick auf dieses Werk, empfehlenswert.