5 von 5
Dirk Becker
04. August 2021
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Ein wunderschöner Zyklus
Es ist zugegebenermaßen schwer, einen Referenz-Mahler-Zyklus zu nennen und ich mag das gar nicht tun. Mancher mag den emotionalen Überschwang a la Bernstein und mancher freundet sich eher mit dem nüchternen Dirigat von Boulez oder Gielen an. Ich gebe zu, dass ich eher zum letzteren Lager gehöre, doch wenn mir Boulez zu distanziert wird, greife ich gerne zu Jonathan Nott. Auch hier haben wir genaue Noten- und Tempo-Treue, keine Extravaganzen, aber doch mehr Emotion und Innenleben, sodass man merkt, dass hier ein Dirigent interpretiert und nicht nur die Partitur wiedergibt! Nott gelingt es, alle Bögen zu halten, alle großen Steigerungen (wie im Kopfsatz der Neunten) schlüssig und konsistent zu gestalten, alles wird ausmusiziert, nirgendwo ist ein Detail zu unwichtig. Und am Ende kommt tatsächlich ein durchdachter und moderner Mahler heraus, der nichts verloren hat von dem Weltschmerz des Komponisten, doch die Tür öffnet in den Raum der modernen Musik, den Gustav Mahler hätte aufstoßen können, wäre er älter geworden. Und die Spielfreude der Bamberger ist auch hervorzuheben; das ist große Klasse! - Für mich ist dieser Zyklus ein 'Nach-Haus-Kommen': Wann immer ich eine andere Interpretation gehört habe, ist für mich (!) im Vergleich Nott's Version überzeugender, frischer und angenehmer. - Schade, dass es keine Zehnte von ihm gibt (welche Ausgabe er wohl genommen hätte?)