3 von 5
blackbird
Top 50 Rezensent
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Alter:
45 bis 54
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Geschlecht:
Männlich:
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Kunde seit:
Mehr als 10 Jahre
16. November 2017
Gesamteindruck:
3,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
Kaufmann französisch
Die Euphorie ist vorbei - für mich wenigstens... Sensationell sind seine Einspielungen nicht mehr, neu sowieso nicht mehr. Immerhin versucht er, das erreichte Niveau zu halten - mal mehr, mal minder erfolgreich. Man darf nicht vergessen, dass er in 2 Jahren 50 wird, und das ist dann für einen so vielbeschäftigten Heldentenor schon eine magische Grenze. Ich will es mal provokativ beschreiben: für eine Karriere a la Kraus / Gedda / Kunde ist er nicht ökonomisch genug, für die Langlebigkeit eines Bergonzi / Lauri-Volpi / Vickers fehlt ihm die Robustheit - und für eine Karriere nach dem Vorbild von Domingo ist er hoffentlich (man verzeihe mir die Anmaßung) nicht dumm genug! Seine aktiven Bühnenjahre dürften also gezählt sein, und so ist es nur folgerichtig, zu diesem Zeitpunkt ein französisches Recital vorzulegen. Natürlich beherrscht er auch dieses Repertoire, viele dieser Rollen hat er bereits live auf den Bühnen dieser Welt gesungen. Am besten gelungen scheinen mir die Auszüge aus WERTHER, L'AFRICAINE und LE CID. Hier kann Kaufmann die Vorzüge seines markanten dunklen Timbres rollengerecht einsetzen. Auch sein ROMEO nötigt mir Respekt ab, mal abgesehen von der Säuselei, die Kaufmann zunehmend als Ersatz für ein tragfähiges Piano verwendet. Das gilt auch für seinen Don José in Bizets CARMEN. Sein Wilhelm Meister in Thomas' MIGNON klingt mir zu langweilig - eigentlich aber keine Überraschung bei diesem farblosen Stück. Der Ausschnitt aus LA JUIVE von Halevy ist wahrscheinlich gut gesungen, entzieht sich aber meiner Bewertung, da ich dieses Stück nicht mag. Für die Ausschnitte aus MANON von Jules Massenet hat Kaufmann in Sonya Yoncheva eine ebenbürtige Partnerin. Als Tiefpunkt dieser Neuaufnahme vom Frühjahr 2017 gilt für mich das Duett Nadir/Zurga aus Bizets Oper DIE PERLENFISCHER. Es klingt in meinen Ohren unkultiviert, undifferenziert und stilistisch ahnungslos. Muss man sich denn derart anbrüllen? Von Ludovic Tezier ist man ja Einiges gewohnt - aber Kaufmann? Hat der denn nie den Nadir von Alfredo Kraus gehört? Oder von Alain Vanzo? Oder Nicolai Gedda? Sogar ein Andrea Bocelli singt dieses Stück mit mehr Einfühlungsvermögen und Sensibilität... Alles in Allem: eine lohnende Anschaffung, wenn man seine Kaufmann-Diskografie vervollständigen möchte, aber: eine Produktion mit Ecken und Kanten, die stellenweise immer noch sprachlos macht - sei es aus Begeisterung - sei es aus Entsetzen...