4 von 5
Hörrohr
19. Juni 2019
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Schubert faszinierend intim - mit der Gefahr der Langeweile
Man könnte sagen - wenn man es sich bildlich so vorstellen will -, dass dies hier das Dokument eines sehr intimen Moments ist, aufgenommen vielleicht spätabends beim schummrigen Schein einer Kerze in einer Atmosphäre der Stille. Das zumindest ist der Eindruck, der sich dem Hörenden vermittelt.
András Schiff, ohnehin noch nie ein Rabauke an den Tasten, erreicht mit dieser Einspielung eine weitere Dimension der Behutsamkeit. Zugute kommt ihm dabei das Instrument, ein Brodmann-Hammerflügel aus dem Jahre 1820, der - je nach Tonlage - durch unterschiedliche Klangfarben beeindruckt, aber immer und vor allem äußerst weich klingt. "Weich" ist auch das Kennzeichen der Interpretation, weich, aber keineswegs statisch. Crescendi und Decrescendi finden ebenso statt wie kleine Tempomodifikationen und Atempausen. Auch Forte-Stellen und emotionale Ausbrüche werden markiert. Aber all dies bleibt stets im Rahmen des zurückhaltenden Gesamtkonzepts. Kein Schubert der offenen, zerklüfteten Seelenlandschaften, keine Ausreizung der möglichen dynamischen Extreme, sondern eine äußerst diskrete, verhangene, manchmal fast schon traumverlorene Darstellung, spieltechnisch absolut zuverlässig und aufnahmetechnisch so gut abgebildet, dass kein Ton unter den Teppich fällt.
Man kann diese Einspielung mit Fug und Recht faszinierend nennen. Was nichts daran ändert, dass man sich - je nach persönlicher Verfassung - auf Dauer auch die Frage stellen kann, ob bei so viel Zurückhaltung und Intimität nicht doch irgendwann die Langeweile um die Ecke lugt. (Was im Übrigen auch für manch andere Produktion des ECM-Labels und dessen Klangästhetik vom wohlig abgerundeten Ton gilt.)
Sagen wir: vier Sterne. Je nach persönlicher Lust, Laune und Verfassung können es in manchen Hörmomenten auch fünf sein. In anderen Momenten aber auch weniger.