Dimitri Mitropoulos - complete Columbia and RCA (69CD, SONY): wieder eine hervorragende VÖ von Sony!
Auch in dieser Rezension gibt es (wie öfters in meinen Anmerkungen zu VÖs) nichts Näheres über die Aufführungen, Art der Interpretation oder Qualität der Interpreten zu lesen. Wer sich für Mitropoulos interessiert, weiß meistens doch wohl etwas Bescheid ... Es dreht sich (fast) ausschließlich um die Qualität der Transfers und die Präsentation der neuen Sony-Box "Dimitri Mitropoulos – The Complete RCA and Columbia Album Collection (69CD, SONY)".
GESTALTUNG, AUFMACHUNG, CD-HÜLLEN UND BOX
Sony hat sich auch mit dieser großen VÖ wieder mal quasi ein Denkmal gesetzt: Liebevolle edle und souveräne Gestaltung, ein nicht allzu langer aber doch engagiert geschriebener Text von Gabryel Smith in der hervorragenden und natürlich fließenden Übersetzung von Stefan Lerche, der schon seit Jahrzehnten für Sony Classical Texte in dankenswerter Weise übersetzt. Der Karton ist extrem stabil wie schon bei den Boxen von Ormandy Szell, Bernstein und anderen.
Die CD-Hüllen sind extrem stabil, die Farbgebung der originalen Covergestaltung perfekt, die ebenfalls originalen Rückseiten für Menschen mit Lupe (logisch bei der kleinen CD-Größe gegenüber einem LP-Cover) und wiederum perfekt gepasste Rücken, die wirklich sehr gut lesbar sind. Da ist Sony sowieso allen anderen Labels voraus in der Benutzerfreundlichkeit.
Ebenso mit dem überaus lobenswerten Registern im massiven stabilen und wunderschön gestalteten Buch in großem Format: Komponisten-Index, Aufnahmedaten-Index / Erstveröffentlichungs-Sets mit ALLEN Daten. Das kann man nicht besser machen.
Zwei Marginalitäten – letztlich völlig unwichtig, aber damit Sie darauf vorbereitet sind:
Die Hüllen der Einzel-CDs sind sehr groß bemessen, sodass CDs auch mal rausrutschen können – besonders da ja die Öffnung nach unten zeigt, weil die Rücken nach oben stehen, damit man die Beschriftung lesen kann. Die wenigen Doppel-CDs sollte man vor der CD-Entnahme ganz flach aufklappen, weil sogar noch in diesem Zustand es einen erheblichen Kraftaufwand benötigt, die CDs aus der sehr eng gefertigten CD-Hülle zu entfernen.
Der Deckel des Booklet meines Exemplars wölbte sich nach ein zwei Stunden offen liegen deutlich nach oben – vielleicht war nach der Fertigung etwas nicht ganz ausgetrocknet. Ich möchte aber anmerken, dass ich in einem Holzhaus mit niedriger Luftfeuchtigkeit wohne.
QUALITÄT DER CD-TRANSFERS
EIN VERGLEICH MIT FRÜHEREN VÖs: Ich besaß vor dem Erwerb dieser Box etwa zwei Drittel der hier enthaltenen Aufnahmen, welche zum größten teil kaum mehr oder gar nicht mehr erhältlich sind: ein paar Japan-Pressungen, zwei französische und griechische VÖs, natürlich die älteren VÖs, die in Deutschland erhältlich waren und einige VÖs von Semiprofessionellen (Haydn House, LITV, bag-of-rags, Pristine Audio und Forgotten Records). Um es kurz zu machen:
Von den mir bekannten vorhandenen VÖs sind nur wenige Wert oder gar empfehlenswert, nicht weggegeben zu werden - womit ich natürlich nicht die CDs mit Live-Mitschnitten meine, die nicht in der neuen Box enthalten sind. Alle semiprofessionellen VÖs, so gut diese zum Teil auch sind, können gegen die neuen VÖs nicht bestehen. Ebenso erübrigen sich die BMG Ausgabe von Barbers Vanessa und die liebevoll aufgemachte griechische Sony 2CD Ausgabe „The Art of Dimitri Mitropoulos“, der Livemitschnitt des Verdi Maskenball (ist – nochmals besser klingend - ebenfalls in der Box).
Behalten sollten Sie – falls in Ihrem Besitz – die Sony “Great Performances“ Ausgabe (1CD) von Prokofievs Romeo und Julia (zusammen mit Lieutenant Kijé und Mussorgsky), da das sehr helle im Klang in der älteren Ausgabe abgemildert ist. Auch wenn dieser etwas grelle klang der neuen VÖ eher der alten Columbia-Platte entspricht, so ist die älterer VÖ doch angenehmer zu hören, ohne das deshalb Informationen fehlen würden oder es an Intensität des Klangs mangelte.
Anders herum verhält es sich mit ein paar Japanpressungen: Die Schostakowitsch 10te klingt in der Box etwas verhangen gegenüber der „lebendigeren“ japanischen Doppel CD (mit der 5ten - und der hervorragenden 9ten mit Efrem Kurtz), auch die Tschaikowsky 6te und die Berlioz „Fantastique“ (aber nicht „La Mer“!) klingen in den japanischen VÖs noch anspringender, auch wenn die VÖs in der Box sehr gut sind. Die französische Doppel-CD „Dimitri Mitropoulos“ sollten sie wegen der Auszüge aus „Romeo und Julia“ von Berlioz behalten. Dieser Transfer ist besser gelungen als der etwas schmalbrüstige in der Box. Auch der Transfer der Doppel-CD „Great Conductors of the 20th Century“ (mit einem superben Transfer der großartigen Mahler 6ten) ist besser.
Geschmackssache ist die Japan-Ausgabe der Tschaikowsky 6ten: Diese ist sehr hell im Klang mit sehr großer räumlicher Tiefe und „Dampf“, was gegenüber der neuen Ausgabe etwas zulasten der Klarheit geht.
Die Transfers von der Mahler 1ten und Bergs Wozzeck klingen in den jeweiligen „Masterwork Heritage“ Ausgaben etwas anders und sind einfach so liebevoll gestaltet, dass zumindest ich sie nicht hergeben werde ….
PERSÖNLICHE BESONDERE EMPFEHLUNGEN ZUM „EINSTIEG“ (wobei ich nur einen Teil der frühen Aufnahmen kenne und noch viel mehr empfehlen könnte):
CD5 Milhaud „Boeuf“,
CD6 Chausson Sinfonie,
CD8 Rachmaninoff Toteninsel,
CD9 Mahler 1te,
CD25 Bloch Saint-Saens,
CD27-28 Berg „Wozzeck“,
CD30 Schönberg „Verklärte Nacht“,
CD31 Saint-Saens 3tes Violinkonzert,
CD33 Berlioz „Romeo u Julia“,
CD35 Scriabin 4te+5te,
CD36 Schostakowitsch 5te,
CD39 Mendelssohn 3te+5te,
CD40 Schostakowitsch 10te,
CD43 Tschaikowsky Violinkonzert,
CD44 Borodin 2te, Schostakowitsch 1tes Violinkonzert,
CD48 Prokofiev „Lieutenant Kijé“ + Kodaly „Hary Janos“, CD49 Saint-Saens,
CD50 Vaughan Willams 4te,
CD56 Prokofiev 1tes Violinkonzert,
CD59 Prokofiev „Romeo und Julia“ …
Und vieles mehr …
SCHLUSSWORT
Eine unbedingt empfehlenswerte und für mich doch überraschende Edition - auch wenn man die eine oder andere Doublette behält. Bei Sony scheint es wirklich Kenner und Liebhaber zu geben – was hoffentlich alle anderen Kenner und Liebhaber zu schätzen wissen.
Der nächste „Coup“ ist bereits angekündigt. Die gesamten Ormandy Minneapolis Aufnahmen von 1934 und 1935. DAS ist wirklich mutig.
Von mir eine unbedingte Kaufempfehlung!
Liebe Sony-Planer, behaltet euren Enthusiasmus und schreitet weiter voran mit solchen VÖs. Noch schlummern Schätze. Ein paar Vorschläge, mal nur bezüglich Dirigentenportraits:
„Leopold Stokowsky – complete RCA recordings“
„Sergej Koussevitzky – complete RCA recordings“
„Frederick Stock and the CSO“ oder „The early Chicago recordings“ (also Stock, zusammen mit den wenigen Defauw und Rodzinsky Aufnahmen aus Chicago)
„Fritz Reiner – The complete RCA mono recordings“ (es gibt da ja noch manches außer CSO! Und leider sind die Transfers der Pittsburgh Aufnahmen in der letzten Reiner Box z.T. nicht sehr gelungen)
„Eugene Ormandy – the complete Columbia and RCA stereo recordings“ (oder aufgeteilt in zwei Boxen)
Aber auch „Morton Gould – complete RCA recordings“ würde wunderbare Schätze zu Tage fördern – z.B. Sibelius Tondichtungen und Schostakowitsch 2te+3te …
Joachim Wagner, Rezensent