4 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
08. Juli 2019
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
Heldenhafte Gipfelstürmerei
So wie manch andre überzeugt bin ich nicht, dass Richard Strauss ein regelrechter Kultur-Nazi war, der diesem deutschen Wesen mit seinem Wirken gedient hat.
Seine beste, frühe Musik spricht eher dagegen, seine spätere schon eher dafür, und zumal diese monströsen, ja schon totalitären Klangüberwältigungen wie bei seiner über-instrumentierten Alpensinfonie von 1915, in schlimmer Zeit ...
Man stelle sich einfach nur mal unsere Kaiser.W. und Hitler.A. gemeinsam auf dem Tableau des Salzbergs vor, verschallt und ergriffen von solcher Musik ...
Jedoch 1941, inmitten der 2ten Kriegszeit, hat Strauss daselbst in München mit der Bayerischen Staatskapelle seine Alpensinfonie erstaunlich zügig-leicht und agogisch flexibel eingespielt, ganz im Sinn seines schätzenswerten Mozart-Ideals von musikalischer Transparenz - kaum zelebriert, lakonisch repetiert, eine auch klanglich erstaunliche Aufnahme werkgerechter, autonomer Interpretationskultur.
Vergleicht man nun Straussens (und vergleichbar Fritz Reiner) mit heutigen 2000er-Einspielungen, hier die Wiener unter Thielemann, seine Visitenkarte für's Entree ins Dresdner Staatskapellen-Hochamt, oder Luisi noch aus Dresden oder auch die gerühmte Weimarer unter Wit, wird man doch den gemeinsamen Hang zu post-post-romantischer, opulent-raffinierter Klangschwelgerei wahrnehmen, akustisch überwältigend auftrumpfend, musikalisch jedoch kaum mehr aufschlussreich.
Breitgetretener Quark bleibt Quark, s.JWG.
Besagte Dirigenten spielen insgesamt um zehn Minuten länger als der versierte Komponist und Dirigent R.S., einige der 'elegischen' Sequenzen sind bis zu einer Minute überdehnt, wo selbst ein so raffinierter Klangjongleur wie Karajan mehr mit ästhetischem understatement agiert.
Und hier offenbart uns GMD Thielemann mit 'seinem' Strauss und den Wiener Philharmonikern, auch mit dem opulent und, nunja, quasi autobiografisch zelebrierten Heldenleben, eine schon süffisante Klangentfaltung und Musizierhaltung von Grösse, die, wie einst Furtwängler seinen schon kriegsversehrten Deutschen(Opfern), uns wohl kulturelle Genesung verheissen soll - als Aufnahme ein dacapo ad infinitum vom berauschend tönenden WeltenKlang.
Nur, wir leben und hören nunmehr in technoid gestreamten, recht aufgeklärten Zeiten ... jenseits historischer der Dresden, München, Wien oder Berlin von einst ... weniger streng und eng national, offener und auch international kultiviert, beweglicher und auch reflektierter als zuvor. Und heute dabei wäre der Strauss zumindest als Dirigent ein Neutöner.