3 von 5
Anonym
28. Oktober 2014
Gesamteindruck:
3,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
4,0 von 5
Kaufmann im Kramladen der großen Gefühle
Jeder großartige Tenor - Kaufmann ist einer - muss früher oder später ran an die Operetten- und Schlagerpfründe. Seit Erfindung der Schallplatte ist das ein Gesetz des Marktes und jetzt ist eben Jonas Kaufmann angetreten, populäres Tenorrepertoire unter die Leute zu bringen und sich einzureihen in die Liga der Herren Tauber, Schmidt, Wittrisch, Anders, Schock, Wunderlich, Gedda, Schreier, Kollo und Jerusalem.
Er geht die Sache radikaler an als seine Vorgänger, beschränkt sich keineswegs auf Operetten- und Tenorschnulzen. Er schmeißt sich ins Buffofach und er unternimmt Reanimationsversuche an Schlagern von anno dunnemal. Das kann man mutig finden, lächerlich, überflüssig oder sehr amüsant - reine Geschmackssache.
Ich persönlich finde die Platte da am gelungensten, wo Kaufmann echte Kraftakte unternimmt, in den Nummern aus "Giuditta" und der "Großen Sünderin". Das ist stimmig, das passt, entspricht freilich auch am ehesten der gewohnten tenoralen Attitüde. Umso bemerkenswerter ist, dass dem Sänger auch leichte Schlager gelingen. Er "croont" sich mit Anstand, wenn auch mit einem hörbaren Rest an schlechtem Gewissen durch Nummern wie "Diwanpüppchen" oder "Irgendwo auf der Welt" - erstaunlich.
Sehr sympathisch ist Kaufmann da, wo er wirklich scheitert, scheitern muss, als ein echter Künstler des 21. Jahrhunderts: Das sentimentale Pathos für Lehars "Land des Lächelns", für Kalmans "Gräfin Mariza" fehlt ihm so vollständig, dass man ihn nur beglückwünschen kann. "Gefühlsattacken" dieser Art muss man schamlos bedienen, sonst funktionieren sie nicht. Rudolf Schock oder Heinz Hoppe konnten das noch in den 1960er Jahren. Dass Kaufmann es 2014 nicht mehr kann, ist eher Gewinn als Verlust und hat nichts mit fehlenden Stimmitteln zu tun, sondern eher mit fehlender Chuzpe.
Die LP-Fassung hat das von Sony beauftragte Presswerk diesmal besser hingekriegt als Kaufmanns Verdi-Album, ich habe tatsächlich eine Platte ohne Kratzer erhalten. Leichte Oberflächengeräusche sind nur auf der vierten Seite zu hören, ansonsten ist die Rillenschrift in Ordnung. Für die LP hätte man durchaus über eine kräftigere Abmischung nachdenken sollen, das Klangbild ist zwar über die gesamte Frequenzbreite angenehm, doch außerordentlich diskret, insbesondere bei Wiedergabe mit MicroLine- oder Shibatanadel.
Dass weder die CD beiliegt, noch ein Downloadcode mitgegeben wird, ist ebenso ärgerlich wie die gewohnt lieblose Verpackung in einfachen Papierhüllen. Wann bloß wird die Industrie begreifen, dass hochwertige Innenhüllen wichtiger sind als aufwändige Kartonagen und dass ein DMM-Umschnitt mehr bringt als eine Doppel-LP?
Meine persönliche Empfehlung lautet daher: In diesem Fall ist die CD leider der LP vorzuziehen.