Unerhörtes . . .
Eine wichtige Veröffentlichung, die bei mir Begeisterung, aber auch gemischte Gefühle hervorruft...
1.CD Brahms Klavierkonzert Nr.2 mit dem CSO und Leinsdorf.
Nach wie vor wunderbar lyrisch, kraft- und phantasievoll von Richter mit wunderbaren Soli Im Orchester - und eine sehr aufschlussreiche Alternative zur der ein gutes halbes Jahr später entstandenen Aufnahme mit Reiner und Gilels. Was mir bei dem Wiederhören der Richter/Leinsdorf-Aufnhame nach längerer Zeit aufgefallen ist: Eigentlich klingt sie nicht nach einer Layton-Aufnahme - seltsam... Sehr gut, aber ich habe den Klangeindruck einer größeren Entfernung als bei den Reiner-Aufnahmen. Das wirft für mich die Frage auf, wieweit Reiner im Studio nochmal den Aufnahmeklang beeinflusst hat. Er war ja sehr am Endprodukt interessiert. Ein paar interessante Worte dazu sehen im Begleitbüchlein des großen Reiner-Box von Sony.
--- 2.-10.CD sind MONAURAL, kein Platten-Equipment, sondern Livemitschnitte aus der Carnegie-Hall, mit einfachem Equipment aufgenommen.
2.+3.CD Beethoven-Sonaten op.2/3, 14/1, 26 + op.54, 57 und Zugaben Schubert, Schumann, Chopin
(19.Oktober 1960 Carnegie-Hall)
Kurz einhören muss man sich schon in das doch enge Frequenzband dieser monauralen Bänder - vielleicht hätte man etwas Rauschen wagen können (aber die Beschneidungen sind akzeptabel - und das Husten weniger störend)...
Was einem da aber aus dem Lautsprecher an Lebendigkeit, Ausdruckwillen, Gestaltung, Klangschönheit und Natürlichkeit entgegenkommt, macht einfach staunen ... Schon allein diese Mittschnitte rechtfertigen m.E. den ersten Satz meiner Rezension. Denn was nützt die VÖ eines möglichst umfangreichen Repertoires bei Decca und DG, wenn sich hier in diesen 18 CDs der RCA/Sony der Pianist von seiner himmelstürmendsten Seite zeigt?
Ob die Pausen zwischen den Sonaten tatsächlich so kurz waren? Es klingt eigentlich nicht geschnitten und ist auch stimmig vom Fluss ... Was für einen Geist und welche Kraft Richter da besaß. Es gibt sowieso in diesen ganzen Mitschnitten immer wieder stellen, wo man denkt: "Jetzt zerlegt Richter den Flügel..."
Spannend ist natürlich zudem der Vergleich mit der ein dreiviertel Jahr zuvor entstandenen Studioaufnahme von drei Beethoven-Sonaten. So sehr ich diese schätze und sie auch durch pianistische Raffinesse dem Mitschnitt überlegen ist - um wieviel freier, wagemutiger und existenzieller ist doch letzterer ... samt Fußschlagzeug-Einsatz... ;-)
4.+5.CD reines Prokofieff-Konzert (23.Oktober 1960 Carnegie-Hall)
Dieser Transfer klingt etwas offener (also besser) als der des Konzerts vom 19.Oktober.
6.+7.CD Haydn Sonate Nr.50, Schumann 3 Noveletten, Debussy Suite Bergamasque und ausgewählte Images und Préludes (25.Oktober 1960 Carnegie-Hall)
Beim Debussy stört die Unruhe (Husten u.a.) im Saal doch ein wenig. Hm, also das Publikum bei Michael Nuber (siehe meine eigenen CDs: JAW-Records – hier bei Amazon) ist schon wesentlich besser erzogen… ;-)
8.+9..CD Beethoven op.10/3, Schumann (wie 23.10), Rachmaninoff 13 Preludes, Chopin, Debussy, Prokofieff
(28.Oktober 1960 Carnegie-Hall)
10.CD Schumann C-Dur Fantasie, Skrjabin 5te Sonate, Rachmaninoff, Ravel, Chopin
(30.Oktober 1960 Carnegie-Hall)
--- 11.+12.CD in hervorragendem Stereo - Studioaufnahmen
11.CD Beethoven Klavierkonzert Nr.1 mit Munch BSO + Klaviersonate op.54
Die armen Remasterer... aber sie haben es gut hinbekommen. der so störende Brumm (auf der XRCD verdirbt er einem wahrlich das Hören) im ersten Satz taucht nur in der Stelle mit dem Liegeton (ging wohl nicht anders wegen der Klangfarbe des Horns) und danach nochmal auf. Dieser Transfer ist wesentlich offener und voller im Klangbild als die VÖ bei BMG "classic library". Die Aufführung eh zu recht berühmt.
12.CD Beethoven Klaviersonaten op.57 + 26 (RCA Studioaufnahme, Layton)
Hervorragend gelungenes Remastering! zwei wundervolle Stereo-Aufnahmen!
--- 13.+16.CD Obwohl aus der Zeit wie die bei Columbia veröffentlichten Mitschnitte, klingen diese viel offener, präsenter (vielleicht etwas zu direkt abgenommen) – also die vier RCA-Platten sind klanglich wesentlich besser als die neun Columbia-Mitschnitte. CD15+16 kann man durchaus als Stereo bezeichnen, für meine Ohren (mit Kopfhörertest) die CD13+14 aber keineswegs. Für mich klingt das nach ausreinem Mono, auch wenn LSC auf den Hüllen und Stereo auf den CDs steht.
13.-14.CD Haydn, Chopin, Rachmaninoff, Ravel, Prokofieff
(26.Dezember 1960 Carnegie Hall)
15.-16.CD Haydn, Chopin, Rachmaninoff, Ravel, Prokofieff, Debussy
(28.Dezember 1960 Mosque Theatre)
17.+18.CD Brahms Sonate Nr.1, Liszt, Schubert + Beethoven Klavierkonzert Nr.1 (Eschenbach und Schleswig Holstein Festival Orch.) u.a.
(1977 Aldeburgh, 1988 Flensburg)
Was soll ich sagen – ich mag einfach den JUNGEN Richter … Die Solo-Stücke sind sehr gut, mit Klangsinn und Übersicht… aber mir fehlt etwas ... vielleicht das Feuer, wie ich es bei ihm weiß?
Das Beethoven-Konzert Nr.1 ist auch interessant – aber leider nur in der Einsicht, wie ein starres, fades Dirigat (es gibt noch sonst Gutes von Eschenbach als Dirigent!) und Orchesterspiel auch den Pianisten bremst. Es ist kaum zu glauben, dass hier derselbe Pianist spielt wie bei Munch mit Boston … Auch aufnahmetechnisch hat Layton das besser gemacht …
FAZIT:
Die Box ist bezüglich der Carnegie-Hall-Konzerte der Columbia (9 CDs) kein Ohrenschmaus für HiFi-Verwöhnte: Mono, mit engem Frequenzband (kaum Bässe, enge Höhen) und manchmal unruhigem Publikum. Bei langem Hören im Klangbild durchaus etwas anstrengend. Vielleicht das, was sich mancher unter „historischer Aufnahme“ vorstellt – allerdings ohne Rauschen und Oberflächengeräusche, nun, es sind ja auch Tonbänder, die man vielleicht besser etwas weniger gefiltert hätte. Aber ich kenne ja nicht dem „originalen“ Klang…
Musikalisch sind diese Konzerte allerdings einmalig – Richter war nie besser …
Ansprechend sind die vier RCA-VÖs der zwei 60ziger Konzerte.
Dann natürlich die 3 Studio-LPs – ein absolutes MUSS!
Das „Neuere“ (letzte 2 CDs) ist für mich nicht zwingend …
Was mir nun nach dem Durchhören hängebleibt ist die etwas bedrückende Frage, ob die neun Columbia-CDs (also fünf Live-Konzerte) nicht hätten noch besser remastert werden können?
Wenn jemand das beschriebene Klangbild der neun Columbia-CDs nicht schreckt – dann gebe ich ihm eine unbedingte Kaufempfehlung!
ach ja - wie können hier mehrere Menschen schon eine Woche vor der Veröffentlichung des Box Bewertungssterne abgeben???