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Anonym
05. Oktober 2016
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Ein Selbstporträt
Walter Braunfels' DON JUAN hat Wilhelm Furtwängler nicht nur uraufgeführt - wie das grandiose Orgelkonzert von Braunfels, welches Furtwängler ebenfalls in seiner Leipziger Zeit mit Günther Ramin, dem Thomanerchor und dem Gewandhausorchester uraufgeführt hat - sondern später immer wieder auch mit den Berliner Philharmonikern gespielt, sogar in New York..
Furtwängler muss diese 'Don-Giovanni-Variationen' also sehr geschätzt haben.
Trotzdem stand das Werk immer im Schatten der (noch) brillanteren 'Phantastischen Erscheinungen eines Themas von Hector Berlioz'.
Das mag so ungerecht sein wie das Phänomen, dass 'Cosi van tutte' immer im Schatten von 'Figaros Hochzeit' stehen wird..
Denn Braunfels' Mozart-Variationen sind noch vielschichtiger als seine (früheren) Berlioz-Variationen.
Ein Werk wie DON JUAN ist sehr typisch für Braunfels: er war ein ungemein gebildeter und geistreicher Musiker und Librettist, sprach mehrere Sprachen, konnte TRISTAN oder den RING am Klavier auswendig spielen und gab bei Aufführungen von Klavierkonzerten - er spielte zyklisch alle Konzerte Mozarts - die Kadenzen grundsätzlich als Improvisation.
(Nachdem Günter Wand einmal am Vorabend 'Ariadne auf Naxos' von Braunfels' 'Konkurrenten' Richard Strauss aufs Programm gesetzt hatte, improvisierte Braunfels seine Kadenz zu Mozarts Es-Dur Konzert zur Verblüffung des Dirigenten über die Zerbinetta-Arie...)
Die Klavierabende des glänzenden Pianisten gipfelten fast immer in freien Improvisationen auf zugerufene Themen.
Braunfels kannte alle Musik von Bach - über Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Mendelssohn und Brahms - bis Wagner auswendig und spielte gerne damit..
Aber er war auch sehr temperamentvoll - seine beißenden Kritiken und seine Wutausbrüche waren (bei Schülern und Kollegen) gefürchtet..
Braunfels konnte auch derb sein: bei einem (privaten) Liederabend mit Maria Ivogün, der Uraufführungs-Nachtigall seiner Oper DIE VÖGEL, forderte Braunfels sie auf, mit ihm zusammen am Klavier "vierhändig" eine 'Zugabe' zu improvisieren, wobei die weltberühmte Sängerin rhythmisch den "weichen Anschlag" ihres Hinterteils einsetzen musste..
Die "klassisch romantische Phantasmagorie" DON JUAN ist also auch ein Selbstporträt ...