5 von 5
Dmitri
Top 100 Rezensent
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Alter:
35 bis 44
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Geschlecht:
Männlich:
26. September 2012
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
wichtigstes Meisterwerk
Gubaidulina verarbeitet in ihrer in russischer Sprache verfassten Passion nach Johannes neben der reinen Beschreibung des Leiden und Sterben Christi von der Fußwaschung bis zur Grablegung weitere Texte des Johannes aus der Offenbarung und dem Beginn des Johannesevangeliums (Im Anfang war das Wort ...).
Sie erreicht damit eine phantastische Parallelität von der Schaffung der Welt, Beschreibung des jüngsten Gerichts und der Handlung um Jesus. Eine solch intensive Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten mit expressivsten musikalischen Ausdrucksmitteln habe ich bisher noch nie wieder gehört! Gubaidulina zeigt sich hier als absolut würdige Erbin eines Johann Sebastian Bach und als herausragendste Komonistenpersönlichkeit unserer Zeit.
Durch die Verzahnung der Beschreibungen zum jüngsten Gericht (die 7 Siegel, die 7 Engel, 7 Schalen des Zorns), der Passage "Im Anfang war das Wort ..." und kurzen Einschüben aus dem Buch Jesaja verdeutlicht das Werk intensive Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben.
Musikalisch ist es eine Höchstleistung sonder Gleichen. Gubaidulina schafft eine Synthese aus modernster Klangerzeugung und sanglich-verständlicher Deklamation. Die wesentlichen Handlungselemente der reinen Passionsgeschichte sind deutlich wahrnehmbar, meist den Solisten zugedacht. Die Chorpassagen bilden in der Regel die absoluten Kulminations- und Steigerungspunkte, die teiweise ergreifender gar nicht sein könnten.
Durch textliche Einrückungen im Booklet (Text auch in deutsch!) bleibt eine Verfolgung des Textes möglich, selbst wenn im Extremfall 4 Textpassagen gleichzeitig gegeneinander gesetzt sind.
Solisten, Chor, Orchester und ein genialer Gergiev sorgen mit bester Klangtechnik für ein Übriges.
Die Johannes-Passion von Sofia Gubaidulina ist für mich nicht nur ein Schlüsselwerk dieser Komponistin, es zählt für mich zu den wichtigsten Werken der Musikgeschichte überhaupt.