5 von 5
jommelli
Top 50 Rezensent
15. Mai 2013
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Sehr erfreulich!
Eine sehr spannende Sache ist es, das durch die Vertonung des 20-jährigen Mozart recht bekannte Libretto der Finta giardiniera in der 1773 entstandenen Version von Pasquale Anfossi zu hören und beide Kompositionen miteinander zu vergleichen. Zunächst einmal fällt auf, dass Anfossis Version gut 30 Minuten kürzer ist und in der Regel schnellere Tempi verwendet, was der gesamten Handlung erhebliche Stringenz verleiht. Mozarts genau zwischen Jugend- und Meisterwerk stehende Vertonung neigt hingegen manchmal etwas zur formalen Weitschweifigkeit, besticht aber an etlichen Stellen durch atemberaubende harmonische Experimente, formale Kühnheiten und besonders durch zwei große Sturm- und Drang- Arien in Moll. Derart Genialisches findet man bei Anfossis ungetrübter in Dur stehender Buffowelt nicht, dafür gibt es aber etliche Nummern, die dem jungen Salzburger an witziger Knappheit und dramatischem Impetus überlegen sind, so z.B. Nardos Auftrittsarie, die im Vergleich zu Mozarts eher konventioneller Vertonung ein wahres Kabinettstück an Brio und geistreicher Unterhaltung ist.
Schwer verständlich ist dagegen dann wieder, dass der ältere Meister in der ersten Podestà-Arie mit ihren reizvollen Instrumentenschilderungen auf jeglichen illustrierenden Klangreiz verzichtet. Insgesamt sehnt sich der heutige Hörer dann doch schon bald nach mehr emotionaler Tiefe bzw. weniger Vorhersehbarkeit. So verwundert es nicht, dass Anfossis Oper, die verglichen mit den überragenden kompositorischen Fähigkeiten Mozarts trotz aller Qualität insgesamt schnell relativ eintönig wirkt, rasch in Vergessenheit geriet.
Diese Vorbehalte ändern jedoch nichts am hohen Repertoirewert und künstlerisch exzeptionellen Rang dieser Einspielung: Werner Erhadts handverlesenes Ensemble weist bei Solisten und Orchester gleichermaßen keine einzige Schwachstelle auf und garantiert so ein in Live-Neueinspielungen keineswegs selbstverständliches durchgehend perfektes Niveau. Besonders die makellose Nuria Rial in der weiblichen Hauptrolle verleiht der Einspielung ein besonderes Niveau. Sehr erfreulich ist, dass sich DHM/Sony zu einem 200-Seiten-Booklet mit dreisprachiger Übersetzung entschieden hat und so der faulen PDF-Praxis liebevolle Editionsarbeit entgegensetzt. (In diesem Falle sogar unnötigerweise, denn jeder der sich die CD kauft wird wohl das identische Libretto der Mozartversion daheim haben) Leider findet man aber über die bis auf N. Rial noch recht unbekannten Sänger keinerlei biographische Hinweise und muss dann doch wieder googeln.
Für musikalische Raritätensammler gilt ganz klar: Uneingeschränkte Kaufempfehlung.