5 von 5
Anonym
17. Februar 2014
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Supercalifragilisticexpialigetisch
Ein stärkerer Superlativ ist mir leider nicht eingefallen. Vorneweg - ich bin kein Experte, nur Hörer, kein Partiturleser und auch kein Sänger-Experte. Das letzte Mal, als ich so ein Erlebnis bei der Präsentation einer Neueinspielung im Radio hatte, das war als John Eliot Gardiner die Matthäus-Passion neu eingespielt hatte, bis dahin hatte ich mich an die Richter-Einspielung gehalten. Was da plötzlich alles zu hören war und wie das swingte, das war bei aller Ernsthaftigkeit eine neue Welt. Als ich die Ouvertüre der Neueinspielung des Figaro im Schweizer Radio hörte, wiederholte sich dieses Erlebnis und nach der Anschaffung und dem Hören der wunderschön als Buch mit Libretto gebundenen CD-Fassung wuchs meine Begeisterung noch.
Vergleichen kann ich mit der Böhm-Einspielung mit Fischer-Dieskau, Prey, Mathis, Janowitz, mit Kuijken, mit Fritz Busch sowie etwas schief mit "Cosi van Tutte" von Gardiner. Die Böhm-Einspielung hat meinen Bedürfnissen bisher weitgehend genügt und ich werde sie auch nicht vergraben oder verschenken, das habe ich auch mit Richters Matthäus-Passion getan, deren Kreuzigungsszene aus meiner Sicht auch von Gardiner nicht der Rang abgelaufen wird, aber was Currentzis mit seiner Riege abliefert weist in eine ganz andere Richtung. Ich meine nicht so sehr die Fragen der Interpretation. Beim "Contessa perdono" klingt der Conte von Andrei Bondarenko verhalten, fast zart, zuletzt verhaucht, während Fischer-Dieskau das kräftiger, entschiedener hervorbringt. Gerade das Finale ist für mich ein entscheidender Punkt, an dem sich die Interpretation nochmals bewährt. Die Steigerung, die die Sänger hier mit ihren klar-tönenden vibratofreien Stimmen hinlegen, wie sich die Töne hier transparent mischen bewirkt bei mir eine Steigerung des Gänsehaut-Erlebnisses, die diese wunderbare Musik von jeher ermöglicht.
Transparenz ist natürlich ein Thema bei dieser Studio-Aufnahme. Transparenz ist seit jeher ein Thema der historischen Aufführungspraxis, dies hat mit den kleineren Besetzungen zu tun und vermutlich noch mehr mit den wechselnden Moden der Aufnahmetechnik und der Mischung. Noch bei dem durchaus schlank klingenden Böhm ducken sich alle anderen Instrumente unter den Streichern weg, aber auch bei dieser Neueinspielung entsteht bei mir nicht der Eindruck, dass es nur um transparente Durchsichtigkeit ginge. Vielmehr entsteht ein musikalischer Gesamteindruck, ein Atem, der von all den durchhörbaren Stimmen, von Sängern und Instrumenten getragen wird.
Es ist natürlich vieles über das Konzept von Currentzis und seiner MusicAeterna geschrieben worden. Das betrifft die Auswahl historischer Instrumente, die ausdrücklich für ihn kein Dogma ist. Das vibratofreie Singen, die Ausschmückung der Arien und des Hammerklaviers, das für sich schon beeindruckt; natürlich und in erster Linie die Qualität der Sänger. Höre ich jetzt wieder die Arien in Böhms oder den historischen Einspielungen, kommen sie mir tatsächlich karg vor, ohne die Girlanden, worauf ich zuvor nie gekommen wäre. All das kann man anzweifeln oder bejubeln, aber das entscheidende ist der große künstlerische Atem und den hat diese Einspielung aus meiner Sicht ohne Zweifel.