3 von 5
Alto
Top 100 Rezensent
21. Oktober 2013
Gesamteindruck:
3,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
1,0 von 5
Klangschöne Enttäuschung
Selbst schuld? Sicher. Es gibt keinen vernünftigen Grund zur Annahme, beim Violinkonzert von Brahms könne eine neue Aufnahme sich auch nur annähernd von der unüberschaubaren Konkurrenz absetzen. Und doch hegte ich die Hoffnung auf eine wenn nicht neue so doch wenigstens spannende Sicht auf dieses Werk, nicht zuletzt wegen der unerwartet guten Erfahrungen mit den Brahms-Symphonien unter der Leitung Chaillys in der kürzlich erschienenen Neuauflage aus Leipzig.
Es gab vor gar nicht langer Zeit bereits eine Aufnahme des Brahms-Violinkonzerts mit Chailly am Pult des Gewandhausorchesters, damals mit Vadim Repin als Solist - klangschön, ohne Extreme und in dieser Haltung sehr überzeugend, zumal Solist und Dirigent in ihren Intentionen eine hohe Übereinstimmung ausstrahlten.
In dieser Aufnahme nun überträgt sich auf mich eine bemerkenswerte Uneinigkeit, die sich vor allem bei den Tempi bemerkbar macht. Kavakos neigt insbesondere im Kopfsatz dieses ohnehin sehr "kopflastigen" Werkes dazu, zu Gunsten klanglicher Finesse und Klarheit der Formulierung das Tempo in den solistischen Passagen teils extrem zu drosseln. Teilweise scheint die Musik still zu stehen. Das kann man als besonders innig, "einfühlsam" und "poetisch" empfinden, wie es im Werbetext formuliert wird. Mich macht das im Ergebnis nervös, denn zum Teil geht das Gefühl für das Grundmetrum verloren. Eine Vielzahl diesbezüglich weniger ausladender, stringenterer Deutungen von Morini, Kagan, Heifetz, Oistrach und Milstein bis zu Faust, Tetzlaff, Shaham oder Repin klingt für mich bei allen interpretatorischen Unterschieden in den Ansätzen bedeutend überzeugender.
Dass die Gesamtspielzeit des Kopfsatzes dennoch im Rahmen bleibt, liegt wesentlich am erheblich schnelleren Tempo, das Chailly mit seinem Orchester im Tutti anschlägt. Überhaupt zeigen die Leipziger die gleichen Qualitäten in Bezug auf Klangschönheit, Transparenz, Präzision und solistische Leistungen wie man sie insbesondere auch unter Chailly gewohnt ist. Die Aufnahmetechnik ist mit ihrem Mehr an Volumen in der Tiefe sogar eine Spur besser als in der Aufnahme mit Repin.
Kavakos nimmt sich in den beiden anderen Sätzen weniger Freiheiten heraus. Man kann ihm angesichts seines obertonreichen, insbesondere auch in Doppelgriffpassagen phänomenal sicheren Spiels ohnehin gut zuhören, auch wenn ich den einen oder anderen hörbaren Lagewechsel ein wenig aufdringlich finde.
In dem Mix an Zugaben mit Zingharese- und im Falle der Bartok-Rhapsodien genuin ungarischen Klängen zusammen mit dem Pianisten Peter Nagy bleibt Kavakos für mein Empfinden etwas blass und spielt ein wenig zu sehr auf Sicherheit, jedenfalls nicht außerordentlich genug, um den eher durchschnittlichen Eindruck wett zu machen, den das Hauptwerk dieser Zusammenstellung hinterlässt.
Aus meiner Sicht bei aller Klangschönheit eine verzichtbare Aufnahme.