5 von 5
Alto
Top 100 Rezensent
21. Februar 2013
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Souverän
Da stehen sie im Halbdunkel, fünf coole, distanzierte Typen. Die Top-Manager des Jahres? Protagonisten aus Steven Soderberghs Ocean's Five? Nur die Instrumente verraten, dass es sich hier um Musiker handelt.
Die Aufnahme macht einem dann ziemlich schnell klar, dass ein Weltklasse-Kammermusikensemble am Werk ist. Auch wenn man vom Hagen-Quartett noch nie etwas gehört hat - in der Szene unwahrscheinlich, schließlich spielen die vier schon seit über dreißig Jahren im Rampenlicht Streichquartett. Und sie spielen zum Glück ganz anders als es die durchgestylte Optik der Verpackung und der Fotos suggeriert.
Die Ensemblekultur dieses Quartetts ist extrem. Es ist unbeschreiblich, wie aufmerksam und homogen diese Musiker aufeinander eingehen, einen gemeinsamen Ausdruck finden, die Musik mit einem konzertierten, höchst expressiven Gestaltungswillen erfüllen. Das sicher nicht nur von mir bislang unterschätzte Op. 27 von Edvard Grieg wird so zu einer Achterbahnfahrt der Emotionen, zu einem Kaleidoskop mal fahler, mal schillernder Farbschattierungen, ohne dass das Gefühl für die Form verloren ginge. Das Werk rührt an, wenn es dermaßen sinnlich und ausdrucksvoll dargeboten wird.
Der suggestive, einnehmend volle, fast rauchige Klarinettenton Jörg Widmanns gliedert sich überaus organisch in den Streichquartettklang ein. Wie im Booklet angekündigt überziehen es die fünf hier nicht mit der Expressivität; trotzdem oder gerade deswegen packt einen das späte Werk von Johannes Brahms und lässt einen nicht mehr los. Die dynamische Bandbreite ist auch hier beeindruckend, zumal die Substanz, die das Ensemble noch in zerbrechlichsten Pianopassagen zur Verfügung hat.
Audiophil Veranlagte dürfte die SACD-Spur noch umso süchtiger machen, denn der Klang dieser Aufnahme aus dem Kammermusiksaal des Deutschlandfunks, insbesondere der 5.0-Mehrkanal-Abmischung, ist dermaßen klar aufgelöst, natürlich, warm und dynamisch, dass man schlicht und einfach gebannt und begeistert im Hörraum gefangen bleibt.
Dies ist die zweite Aufnahme der Hagens für ihr neues Label Myrios. Mögen weitere folgen!