4 von 5
pacific231
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Alter:
35 bis 44
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Geschlecht:
Männlich:
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Kunde seit:
5-10 Jahre
01. September 2010
Etwas zu kopflastig
Mahlers Sechste ist vielleicht sein persönlichstes Werk, seine stringenteste Sinfonie. In ihr versucht Mahler schwere persönliche Schicksalsschläge musikalisch zu verarbeiten. Das führt dazu, dass die Stimmung der Sinfonie durch alle Sätze hindurch düster-verhangen ist und in den Ecksätzen sowie im Scherzo ein brutal-martialischer Ton vorherrscht, der nur im langsamen Satz von einer sanfteren, melancholischeren Musik abgelöst wird, die offenbar Ruhe und Frieden herbeisehnen soll.
Boulez und die DG-Tontechniker haben bei dieser Studioaufnahme mit den Wiener Philharmonikern wieder ganze Arbeit geleistet und ein Klangbild geschaffen, das kaum Wünsche offen lässt und Stimmen hörbar macht, die in manch anderer Einspielung untergehen oder die man bisher so noch nicht vernommen hat. Dabei demonstriert Boulez einmal mehr seine nüchterne, analytische Sichtweise der Mahlerschen Partituren. Klangtechnisch kann man allenfalls monieren, dass sich die Hammerschläge des Finales (sofern man die Partitur nicht kennt oder sie nicht mitlesen kann) akustisch kaum lokalisieren lassen.
Dennoch fehlt mir bei dieser Sinfonie – vielleicht mehr als in anderen Mahler-Einspielungen von Boulez – die emotionale Dimension dieser Musik, die unmittelbare Identifikation des Dirigenten mit der tragischen Schicksalhaftigkeit der Töne. Vieles wirkt durch Boulez’ Distanziertheit doch allzu unterkühlt und allein auf das Strukturelle konzentriert. So geht vor allem in den Ecksätzen einiges an emotionaler Substanz verloren. Dennoch ist die Aufnahme aufgrund ihrer Genauigkeit der Partiturumsetzung und Durchhörbarkeit der Stimmen interessant.