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gemi:re
01. Mai 2016
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
4,0 von 5
Kongeniale Darbietung der Bartok-Violinonzerte
Isabelle Faust hat sich in den letzten Jahren als erstrangig zu den (vielen) besten Geigerinnen unserer Zeit gespielt. Dies zeigen ihre div. Solo-, Kammermusik- und Konzertaufnahmen, besonders die Einspielungen unter Abbado, die beide noch vor seinem Tod realisieren konnten: das grosse Beethoven- und das höchst persönlich todgeweihte Berg-Konzert, auch eindrucksvoll als Mitschnitt aus der Berliner Philharmonie dokumentiert (digital-concert-hall.de). Dort kann man Fausts enorme Dispositionsfähigkeit und instrumentale Klangsinnlichkeit zur Klärung der komplexen Bergschen Strukturen eindrucksvoll hören und sehen!
Hier nun überzeugt sie mit Daniel Harding und dem Schwedischen Radio-Orchester mit den beiden Violinkonzerten Bela Bartoks. Dem ersten, persönlich gefärbten und als Liebeserklärung dezidierten und erst posthum veröffentlicht, bleibt Faust an dezenter Verinnerlichung wie folgendem tänzerischen Schwung nichts schuldig. Dem eigentlich einzigen grossen zweiten Konzert, mit dreisätziger Klassizität der Tradition verbundenen und von persönlichen inneren Befindlichkeiten befreit, scheint sie noch intensiver auf der Spur zu sein, als musikalisch autonomes Konzert für Violine und Orchester und Bartoks letzte abgeschlossene Komposition vor seiner Emigration in die USA.
Frappierend in Fausts Darstellung ist vor allem ihr ganz selbstverständlicher, sinnlich tönender Streicherton, der doch bei den ersten Granden wie Menuhin-Furtwängler noch etwa wie neutönerisch fremdelnd klang. Bei Isabelle Faust schwingt immer eine so schwer zu beschreibende reflektierte Klangsinnlichkeit, welche die nackte, pure Notation der Komposition schlüssig erkennt und quasi cantabile spielend adelt. Bartoks kompositorisches Prinzip der motivischen Variation wurde noch nie so sinnfällig geboten, vor allem im zweiten 'Andante-tranquillo'-Satz. Und der musikalisch hellwache Daniel Harding kooperiert und begleitet mit orchestral genau differenzierter Akzentuierung kongenial. Und auch aufnahmetechnisch-akustisch klingt alles durchweg befriedigend.
Also, keine Angst vor neuen Tönen wie dieser klassizistischen Moderne, die uns von so vielen multimedia-sounds längst irgendwie bekannt sind, wenn auch nicht so differenziert und eben komplex komponiert wie hier. Dies ist eine hervorragende Bartok-Einspielung für noch aufgeweckte Hörer, die sich den immerwieder re-produzierten und servierten Schmuh von längst zur Banalität verkommenen Stücken a la Bruch und Tchaikovsky nicht zum xten Mal anhören wollen.