3 von 5
rtrechow
01. September 2014
Gesamteindruck:
3,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
Ohne Poesie
Ich habe Buchbinders neue Aufnahme ganz gehört, dann in Teilen - und verglichen (mit Kempff, Arrau (2 x), Lortie, Pommier, Goode, Zechlin, Brendel 3, Lewis, Kovachevic und vielen anderen...) - und ich werde nicht warm mit ihm.
Er haut eine grandiose Appassionata (1. Satz) und ebenso einen monumentalen ersten Satz der Pathetique und der Sonate op. 111 aus dem Flügel - und die ohrnahe, glasklare Aufnahmetechnik und die Live-Atmosphäre helfen ihm dabei - das kann fast erschüttern, zumindest klingt es groß, männlich, spannend - Beethoven, wie er sein soll (und das, wie gesagt, live)!
Aaaaaaber (mit langem A): immer, wenn es poetisch wird - schon der herrliche langsame Satz der 3. Sonate (opus 2,3), der Sonate op.10,3, aber auch die Mittelsätze der Pathetique, der Appassionata, besonders der der Waldsteinsonate, der dann so herrlich in den überirdischen 3. Satz überleitet - da ist Buchbinder nahezu kläglich "sachlich", kühl, da fehlt jedes Singen, jede Entrückung... Im Vergleich zu Paul Lewis etwa (zugegeben - ein "Softie" - aber welche Schönheit findet der immer wieder "zwischen den Abgründen") oder Lortie oder van Grote (der allerdings sehr "schwankend" interpretiert) fehlt Buchbinder hier schlicht der Zugang zu Beethovens weicher Seite - selbst der notorisch "finstere", ernste Michael Korstick ist viel poetischer!
(von Arrau oder Kempffs erster Gesamtaufnahme gar nicht zu reden...).
SCHADE!!
Grundsätzlich ist Buchbinders Rubato für mich oft zu willkürlich, zu unnatürlich - und seine Grundtempi bei den langsamen Sätzen sind in der Regel schon von Anfang an zu schnell, so dass die Poesie schon dadurch schwer entstehen kann.
Schließlich sind die letzten Sonaten (mit Ausnahmen - z.B. der erste Satz der 32.Sonate, s.o.) Enttäuschung pur:
im Vergleich sogar mit Gulda oder Kovacevic (!! - die ja nicht im Rufe stehen, besonders sensiblen oder poetischen Beethoven zu spielen) - oder gar der in den langsamen Sätzen fast jenseitig schön spielenden Uchida bleibt Buchbinder fest mit beiden Füßen (fast möchte ich schreiben: Stiefeln) auf der Erde - auch im langsamen Satz der Sonate op. 110, auch im 2. Satz der Sonate op. 111.
Und mit dem langsamen Satz der Hammerklaviersonate kann er scheinbar gar nichts anfangen - für mich kommt weder Tiefe noch Trauer, weder Aufbäumen noch düstere Verzweiflung, weder Melancholie noch Schicksalsergebenheit herüber, es fehlt der Zusammenhang (oder Zusammenhalt) innerhalb des Satzes - ehrlich gesagt: für mich "stolpert" Buchbinder hier verständnislos durch die Bruchstücke des größten langsamen Satzes, der je für Klavier solo geschrieben wurde...
Nochmal: Schade!
Mich wundern all die positiven Kritiken gerade der Fachpresse sehr... - lediglich in einer englischen Zeitung fand ich einen Kommentar, der exakt meinen Eindruck widerspiegelte.
Meine Empfehlungen:
Arrau, Korstick, Lewis (einfach schön), Kempff (der erste Zyklus) und andere...