Anton Bruckner: Symphonie Nr.4
Symphonie Nr.4
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
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- Künstler: Orchestra de la Rancophonie Canadienne, Jean-Philippe Tremblay
- Label: Analekta, DDD, 2007
- Erscheinungstermin: 1.1.2014
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Der Wind, der am 4. September 1824 im oberösterreichischen Dorf Ansfelden durch die Blätter flüstert und kaum das Wimmern eines neugeborenen Kindes verbirgt, scheint aus der Ferne das sanfte Rascheln zu widerhallen, das Beethovens Neunte eröffnet, die Anfang des Jahres im Mai in Wien aufgeführt wurde 7. Ein solcher Nebel (wie Robert Simpson ihn nennt) aus Tremolo-Streichern leitet, wie in vielen seiner Sätze, die »romantische« Vierte Symphonie von Anton Bruckner ein, dem Sohn eines bescheidenen Schulmeisters und Organisten aus dieser friedlichen Kleinstadt südlich von Linz.
Der Mensch ist kein stiller Zuschauer der Schöpfung: Er antwortet dem Lied der Natur mit einem eigenen Ruf. Während Beethoven in den Streichern eine Reihe fallender Quinten und Quarten im punktierten Rhythmus erklingen ließ, setzt Bruckner das Horn (für das das Es dieser Symphonie eine äußerst günstige Tonart ist) und dann die Bläser ein, um die Weckrufe anzukündigen. Mit größerer Gelassenheit und in breiteren Strichen, aber wie bei Beethoven im punktierten Rhythmus, ändert sich Bruckners Anfangsmotiv ein zweites Mal von einer absteigenden Quinte zu einer kleinen Sexte, wobei die erste Note des Intervalls auf C-Dur angehoben wird. Das durchdringende Es-Dur verschwimmt bereits mit einem Hauch von Moll, obwohl es sich hierbei um Bruckners erste Symphonie in Dur-Tonart handelt.
Erhabenes Design, Liebe zur Natur und sozusagen die Atmosphäre, die vom Beginn von Beethovens Neunter (die Bruckner 1866 zum ersten Mal hörte) übernommen wurde, sind alles Elemente, die dem Titan aus Bonn und dem rustikalen Organisten, der ihn adoptierte, in gewisser Weise ähneln Wien würde nie ganz hineinpassen. Diese Elemente helfen auch, den Titel »Romantisch« zu erklären, den Bruckner selbst der Vierten bereits in der Urform der Symphonie im Jahr 1874 gegeben hat für einige kleinere Überarbeitungen, für alle zukünftigen Überarbeitungen des Werks.
Die Uraufführung der Symphonie Nr. 4 in der überarbeiteten Fassung von 1878 / 80 fand am 20. Februar 1881 in Wien unter der Leitung von Hans Richter statt. Offenbar im Nachhinein hatte Bruckner ein Programm für die Symphonie angedeutet, auf das wir diskret eingehen werden. »Der Tag wird durch das Horn angekündigt«, schrieb Bruckner 1884 an den Dirigenten Hermann Levi über das Hauptthema des ersten Satzes. Auf den ersten Blick naiv, können solche programmatischen Hinweise den großen Anspruch des Werkes nicht schmälern, das genauso gut ohne sie auskommen könnte. Es ist auch wichtig, mit der Vorstellung aufzuräumen, dass Bruckners legendäre Offenheit (die dazu führte, dass der Komponist Richter nach einer zufriedenstellenden Probe der Vierten tippte) zusammen mit einer angeblichen Charakterschwäche seine klare Einschätzung der Integrität seiner eigenen Werke, insbesondere der Werke, beeinträchtigte Sinfonien. Wir werden sehen, wie viel zu weit und unüberlegt diese Vorstellung seit Ende der 1930er Jahre vertreten wurde.
Ein äußerst selbstbewusst klingendes Motiv setzt die Darstellung des Satzes fort und trägt die Überschrift »Ruhig bewegt (nur nicht schnell)«. Der treibende Aspekt der Tempoangabe liegt in der für Bruckner typischen rhythmischen Kontur dieses aufsteigenden Motivs, das sofort absteigend wiederholt wird, bis es sich in der ersten vom gesamten Orchester gespielten Fortissimo-Passage prächtig vereint. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Werks ist Bruckners oft erwähnte »kathedraleske« Klangwelt erkennbar, in der hervorragender Blechbläsersatz mit der raffinierten Komplexität intimerer oder ruhigerer Passagen kontrastiert. Es wurde regelmäßig geschrieben, wie dieser glühende Katholik, Organist des Linzer Doms, seiner Natur entsprechend komponierte, in Blöcken kontrastierender Registrierungen, mit Blick (und Ohr) auf die Ewigkeit. Diese Art vergaß er nie, selbst als er später allein oder mit Mitarbeitern Details der Orchestrierung retuschierte – eine Disziplin, die er übrigens bei Otto Kitzler studierte, einem Wagneristen, der ihn mit Tannhäuser bekannt gemacht hatte.
Mit Finesse beginnt Bruckner den zweiten, kontrastierenden Teil der Exposition, einen Abschnitt, den er in seinen Ecksätzen passenderweise Gesangsperiode nennt. Den Streichern und Bläsern gemeinsam ist ein bezauberndes Motiv, das Bruckner mit dem »Lied der Kohlmeise« vergleicht, als Kontrapunkt zu Trällern und zarten Linien. In Gesangsperioden wie dieser spürt man, wie sich die Zeit ausdehnt, ein großartiger Moment der Ruhe, in dem man in aller Ruhe alles aufnehmen kann, was der Komponist zu bieten hat. Im Gegensatz zu Beethoven und den anderen von Bruckner so bewunderten Wienern (Haydn und Mozart, denen er in vielerlei Hinsicht auch nachfolgt) sind seine formalen Konstruktionen nicht von dramatischen Impulsen geprägt, mit Ausnahme seiner Scherzos bis zu einem gewissen Grad. Stattdessen legt er einen Weg vor, der große Weiten durchquert, oder stellt den Zuhörer in die Mitte einer weitläufigen Struktur, die er begreifen und bewundern kann. Die vorliegende Gesangsperiode beginnt mit der dritten »Themengruppe« der Exposition, die sowohl das treibende Motiv des Anfangs als auch das anmutige Lied, das darauf folgte, ins Spiel bringt (eigentlich bereits entwickelt).
Die Entwicklung als solche beginnt sehr sanft und zeigt unter anderem die meisterhafte Schreibtechnik, die Bruckner sich so mühsam und gewissenhaft angeeignet hat. Hören Sie, wie er insbesondere das einleitende Hornsignal und das treibende Motiv einsetzt: Sie erklingen in Stretto, Umkehrung, Diminution, vielfältig kombiniert und führen zu einer dieser berühmten Passagen, die er im Choralstil für Blechbläser schreibt. Seine Beherrschung der Schreibtechnik verdankt er sicherlich zu einem großen Teil den strengen Fernkursen, die er bei dem anspruchsvollen Wiener Simon Sechter absolvierte, den Schubert bekanntermaßen auch konsultiert hat. Nach einer beruhigenden Pause beginnt die Reprise mit dem Hauptthema, nun für zwei Hörner in der Oktave, besonders geschmückt mit Melismata der Flöte und der gedämpften ersten Violinen ... dieser allerletzte Schlag (die gedämpften Violinen) bringt uns dazu, die gefürchtete Büchse der Pandora zu öffnen bekannt als »Bruckner-Problem« bezüglich der Fassungen seiner Sinfonien.
Hier wie anderswo ist die in der vorliegenden Aufnahme zu hörende Orchestrierung die der Fassung der Vierten von 1888, die der 1889 von Albert J. Gutmann erstellten und 1890 mit Korrekturen neu aufgelegten Ausgabe entspricht (siehe die Anmerkung von Jean-Philippe Tremblay unten). ). Sie unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht erheblich von den in den letzten 70 Jahren üblicherweise aufgeführten Fassungen: Die erste ist die Robert-Hass-Ausgabe von 1936 (korrigiert 1944), die auf dem Autograph der Fassung von 1878 / 80 basiert, die Bruckner ihm 1893 hinterlassen hatte Testament zur heutigen Österreichischen Nationalbibliothek; Die zweite ist die Leopold-Nowak-Ausgabe von 1953, deren Grundlage die Version ist, die Bruckner 1886 an den Dirigenten Anton Seidl aus New York schickte und die sich heute in den Sammlungen der Columbia University befindet. Von Bruckners Tod am 11. Oktober 1896 bis zur Haas-Ausgabe war die einzige verwendete und tatsächlich bekannte Ausgabe die Originalausgabe, die Bruckner zusammen mit seinen Schülern Ferdinand Löwe und Franz Schalk sowie aller Wahrscheinlichkeit nach Josef Schalk erstellt hatte. Diesen Männern wird seit langem vorgeworfen, Bruckner dazu manipuliert zu haben, seine Werke zu verändern. Doch obwohl es stimmte, dass der Komponist ab 1892–93 den Verdacht hegte, dass sie hinter seinem Rücken agierten (was sich immer mehr als richtig erwies), war die Arbeit an der Erstausgabe ab 1887 in diesem Fall eine Gemeinschaftsarbeit. Dies wird durch die Stichvorlage (Stichvorlage) bezeugt, auf der Bruckners »Regulierung« (wie er es nennt) der Arbeit seiner Schüler sowie andere wichtige Korrekturen von seiner eigenen Hand deutlich zu erkennen sind. Diese Fassung wurde sogar am 22. Januar 1888 erneut unter Richter aufgeführt, mit Bruckners Zustimmung und sorgfältiger Aufmerksamkeit während der Proben. Diese Stichvorlage-Version von 1888 wurde 2004 zusammen mit den Hass- und Nowak-Ausgaben in der maßgeblichen Ausgabe der kritischen Gesamtwerke veröffentlicht. Unter der Leitung von Benjamin Korstvedt entspricht es insgesamt der ersten Gutmann-Ausgabe und stellt sie wieder an einen legitimen Platz neben der autographen Fassung von 1878 / 80.
Gedämpfte Violinen... sie fehlten in der Fassung von 1878 / 80, dafür sind die Pauken hier aus der Passage verschwunden. Es muss dann dem Zuhörer überlassen bleiben, welche Version er oder sie bevorzugt (vielleicht auch mehrere). Erfreulicherweise beenden alle Fassungen den Satz prachtvoll mit dem ersten Ruf aller vier Hörner.
Der zweite Satz, ein Andante in c-Moll, bietet laut Bruckner lediglich »Gesang«. Das wusste er gut, da er es in seiner Kindheit, später mit Freunden im Stift St. Florian praktiziert und seine heiligen Werke so erhaben damit durchtränkt hatte. Ebenso erhaben ist die Art und Weise, wie er hier zwei zunehmend kunstvolle Manifestationen des Gesangs abwechselt. Das erste, zunächst von den Celli und später von den Hörnern und Bläsern gespielte Stück, manchmal in Spiegelform, ist bewundernswert umfangreich und umfasst eine breite Tonlage. Er erinnert in seinen Quintensprüngen und seinem punktierten Rhythmus, der das marschartige Tempo unterstreicht, an den ersten Satz. Das zweite Liedthema, weniger feierlich, aber geheimnisvoller, wird hauptsächlich von den Bratschen über einem Pizzicato-Marsch der anderen Streicher in einer Art fast gesprochenem Arioso mit seinen zögernden und fragenden Phrasen entfaltet. Die Antwort scheint immer in der Reprise des ersten Liedes zu liegen, um die Bruckner ein immer ausgefeilteres Klanggeflecht spinnt. Wie seine entfernten Wiener Vorgänger oft taten, beendet der Komponist den Satz mit der Dur-Tonika.
Der dritte Satz beginnt mit dem berühmten »Jagd«-Scherzo (wieder Bruckners Wort) mit der Überschrift »Bewegt« in B-Dur. Die Hörner, zu denen nach und nach Trompeten, Posaunen und Tuba gesellen, signalisieren mit einem Motiv, das gleichzeitig den treibenden »Brucknerschen« Rhythmus, den punktierten Auftakt und das absteigende Intervall (eine Quarte statt einer Quinte) kombiniert, dass die Jäger der Sache gewachsen sind ), alle abgeleitet vom ersten Satz. Die wogende Energie der Musik weicht gelegentlich ruhigeren Passagen, nimmt aber wieder zu, um dann im Ges-Dur-Trio mit der Überschrift »Gemächlich« (Friedlich) nachzulassen. Eine Art Ländler für die ruhende Jagdgesellschaft, in dem hauptsächlich Flöte und Klarinette gepaart sind. Das Scherzo wird anschließend in gekürzter Form wiederholt, endet dieses Mal jedoch in der lautstarken Freude des gesamten Orchesters.
An dieser Stelle ist auf die wichtigen, vor allem strukturellen Unterschiede zwischen der aktuellen und den Vorgängerversionen hinzuweisen. Zunächst hatte Bruckner sein Scherzo von 1874 verworfen, als er das Werk 1878 überarbeitete, und es durch dieses Jagd-Scherzo ersetzt, das er für die erste veröffentlichte Fassung erneut modifizierte. Abgesehen von der Paarung von Oboe und Klarinette im Trio und dem Fehlen der Piccoloflöte im Rest des Satzes enthält die Autographfassung von 1878 / 80 vor allem ein vollständiges Da capo des Scherzos, und die abschließende, ausgelassene Coda rundet es ab beide Male. Manche hielten das Weglassen von 65 Takten in der Gutmann-Ausgabe für ein höchst unglückliches Zugeständnis seitens Bruckners, doch er stimmte der Kürzung tatsächlich zu. Darüber hinaus hatte ein so bedeutender Kommentator wie Sir Donald Tovey Mitte der 1930er Jahre vor der Verbreitung der autographen Fassung von 1878 / 80 die »äußerst wirksame Abkürzung [...] als äußerst dramatisch« empfunden.
1878 hatte Bruckner das Finale von 1874 durch einen Satz mit dem Titel »Volksfest« ersetzt. Bereits im Dezember 1880 ersetzte er es erneut durch das uns heute bekannte Finale, das zusammen mit den anderen Sätzen aus dem Jahr 1878 bei der Uraufführung aufgeführt wurde. Überarbeitet ist dies das Finale der Gutmann-Ausgabe. Bedrohlich leiten die Streicher dieses »MäíŸig bewegt« mit einem B-Moll-Pedal ein, über dem Horn und Klarinette ihren traurigen Dreitonruf erklingen lassen. Nach einem extremen Spannungsanstieg, bei dem sich Rhythmen und Intervalle verdichten und fragmentieren, wird der Ruf zum Leitmotiv des gewaltigen Hauptthemas des Satzes. Dies markiert auch die Rückkehr der Grundtonart Es-Dur sowie der unheilvollen Note C-Dur, die den Beginn der Symphonie so verstört hatte und in den vorletzten Takten ihre letzten Akzente setzen wird, bevor das Werk seinen endgültigen Triumph feiert. Das Thema vereint auch die elementaren Elemente der Symphonie, nämlich den kurzen Auftakt, die Triole aus dem Scherzo und den berühmten Bruckner-Rhythmus in überhöhten Notenwerten. Der Höhepunkt dieses ersten Abschnitts führt ein neues Feature ein: einen Beckenschlag, der ein Zitat des Hornmotivs aus dem ersten Satz vorbereitet, das jetzt von allen Blechbläsern gespielt wird. Die Becken erklingen noch einmal zweimal, jedoch im Pianissimo, kurz vor der großen Coda. Dieses Instrument fehlt in den früheren Versionen des Werks, obwohl sich mehrere Dirigenten dafür entscheiden, den ersten Forte-Crash einzufügen. Die Piccoloflöte, die auch in den anderen Fassungen fehlt, färbt wiederum die lauteren Passagen.
Eine großzügige Gesangsperiode bietet die Gelegenheit, ein ausgesprochen romantisches Merkmal hervorzuheben, das nichts mit irgendeinem Programm zu tun hat (von dem dieser Satz fehlt), nämlich die Aneinandergrenzung der Dur- und Moll-Modi, ein Verfahren, das im Geiste Schubert so nahe kommt. Verschiedene Motive in den Themen dieser »Liedperiode« (übrigens auffällig mit anderen Themen des Werkes verknüpft) schwanken häufig zwischen Dur und Moll, was der Harmonie eine prismatische Qualität verleiht.
Es folgt ein ausgedehnter Durchführungsabschnitt, in dem das Kopfmotiv in vielen Gestalten auftritt und sich mit dem Hauptthema der Gesangsperiode verbindet, was die unglaublichen technischen Fähigkeiten zeigt, die Bruckner als Meister der Fugenorgelimprovisation erworben hat. Zur Überraschung (oder Bestürzung) derjenigen, die mit den heute üblichen Haas- oder Nowak-Ausgaben der Symphonie gut vertraut sind, verzichtet die Stichvorlage-Version von 1888 auf die Wiederholung des Hauptthemas des Finales und präsentiert einen modifizierten Übergang zur Reprise des zweiten Themas. Bruckner stimmte dieser Kürzung jedoch zu und hatte eine noch größere Kürzung in diesem Teil des Satzes gefordert, von Takt 351 bis 430, im selben Jahr, in dem das Werk in einer Wiederholungsaufführung unter der Leitung von Felix Mottl am 10. Dezember 1881 uraufgeführt wurde.
Dann beginnt die lange Coda, als Weg vom Selbstzweifel zur Verzückung. Es ist, als wolle sich Bruckner von der Angst befreien, die ihm der gnadenlose Wiener Kritiker Eduard Hanslick eingeflößt hatte, der seine eigenen Bedenken noch verstärkte, um endlich im Glanz öffentlicher Zustimmung und Dankbarkeit zu schwelgen. Es beginnt als murmelndes, oszillierendes Streichertremolo, über dem die Bläser in gleichzeitiger Gegenbewegung das Anfangsmotiv des Finales spielen, und beginnt dann mit einer melodischen Verlängerung, die sich schließlich in sich selbst zurückzieht, kurz bevor Trompeten und Becken diskret den Beginn des grandiosen Schlusscrescendo ankündigen. Hier steigen die Streicherschwingungen schrittweise in ekstatischen Doppelvorschlägen an und erreichen im Keimrhythmus der Symphonie ihren vollen Orchesterhöhepunkt.
© Jacques-André Houle
Der Mensch ist kein stiller Zuschauer der Schöpfung: Er antwortet dem Lied der Natur mit einem eigenen Ruf. Während Beethoven in den Streichern eine Reihe fallender Quinten und Quarten im punktierten Rhythmus erklingen ließ, setzt Bruckner das Horn (für das das Es dieser Symphonie eine äußerst günstige Tonart ist) und dann die Bläser ein, um die Weckrufe anzukündigen. Mit größerer Gelassenheit und in breiteren Strichen, aber wie bei Beethoven im punktierten Rhythmus, ändert sich Bruckners Anfangsmotiv ein zweites Mal von einer absteigenden Quinte zu einer kleinen Sexte, wobei die erste Note des Intervalls auf C-Dur angehoben wird. Das durchdringende Es-Dur verschwimmt bereits mit einem Hauch von Moll, obwohl es sich hierbei um Bruckners erste Symphonie in Dur-Tonart handelt.
Erhabenes Design, Liebe zur Natur und sozusagen die Atmosphäre, die vom Beginn von Beethovens Neunter (die Bruckner 1866 zum ersten Mal hörte) übernommen wurde, sind alles Elemente, die dem Titan aus Bonn und dem rustikalen Organisten, der ihn adoptierte, in gewisser Weise ähneln Wien würde nie ganz hineinpassen. Diese Elemente helfen auch, den Titel »Romantisch« zu erklären, den Bruckner selbst der Vierten bereits in der Urform der Symphonie im Jahr 1874 gegeben hat für einige kleinere Überarbeitungen, für alle zukünftigen Überarbeitungen des Werks.
Die Uraufführung der Symphonie Nr. 4 in der überarbeiteten Fassung von 1878 / 80 fand am 20. Februar 1881 in Wien unter der Leitung von Hans Richter statt. Offenbar im Nachhinein hatte Bruckner ein Programm für die Symphonie angedeutet, auf das wir diskret eingehen werden. »Der Tag wird durch das Horn angekündigt«, schrieb Bruckner 1884 an den Dirigenten Hermann Levi über das Hauptthema des ersten Satzes. Auf den ersten Blick naiv, können solche programmatischen Hinweise den großen Anspruch des Werkes nicht schmälern, das genauso gut ohne sie auskommen könnte. Es ist auch wichtig, mit der Vorstellung aufzuräumen, dass Bruckners legendäre Offenheit (die dazu führte, dass der Komponist Richter nach einer zufriedenstellenden Probe der Vierten tippte) zusammen mit einer angeblichen Charakterschwäche seine klare Einschätzung der Integrität seiner eigenen Werke, insbesondere der Werke, beeinträchtigte Sinfonien. Wir werden sehen, wie viel zu weit und unüberlegt diese Vorstellung seit Ende der 1930er Jahre vertreten wurde.
Ein äußerst selbstbewusst klingendes Motiv setzt die Darstellung des Satzes fort und trägt die Überschrift »Ruhig bewegt (nur nicht schnell)«. Der treibende Aspekt der Tempoangabe liegt in der für Bruckner typischen rhythmischen Kontur dieses aufsteigenden Motivs, das sofort absteigend wiederholt wird, bis es sich in der ersten vom gesamten Orchester gespielten Fortissimo-Passage prächtig vereint. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Werks ist Bruckners oft erwähnte »kathedraleske« Klangwelt erkennbar, in der hervorragender Blechbläsersatz mit der raffinierten Komplexität intimerer oder ruhigerer Passagen kontrastiert. Es wurde regelmäßig geschrieben, wie dieser glühende Katholik, Organist des Linzer Doms, seiner Natur entsprechend komponierte, in Blöcken kontrastierender Registrierungen, mit Blick (und Ohr) auf die Ewigkeit. Diese Art vergaß er nie, selbst als er später allein oder mit Mitarbeitern Details der Orchestrierung retuschierte – eine Disziplin, die er übrigens bei Otto Kitzler studierte, einem Wagneristen, der ihn mit Tannhäuser bekannt gemacht hatte.
Mit Finesse beginnt Bruckner den zweiten, kontrastierenden Teil der Exposition, einen Abschnitt, den er in seinen Ecksätzen passenderweise Gesangsperiode nennt. Den Streichern und Bläsern gemeinsam ist ein bezauberndes Motiv, das Bruckner mit dem »Lied der Kohlmeise« vergleicht, als Kontrapunkt zu Trällern und zarten Linien. In Gesangsperioden wie dieser spürt man, wie sich die Zeit ausdehnt, ein großartiger Moment der Ruhe, in dem man in aller Ruhe alles aufnehmen kann, was der Komponist zu bieten hat. Im Gegensatz zu Beethoven und den anderen von Bruckner so bewunderten Wienern (Haydn und Mozart, denen er in vielerlei Hinsicht auch nachfolgt) sind seine formalen Konstruktionen nicht von dramatischen Impulsen geprägt, mit Ausnahme seiner Scherzos bis zu einem gewissen Grad. Stattdessen legt er einen Weg vor, der große Weiten durchquert, oder stellt den Zuhörer in die Mitte einer weitläufigen Struktur, die er begreifen und bewundern kann. Die vorliegende Gesangsperiode beginnt mit der dritten »Themengruppe« der Exposition, die sowohl das treibende Motiv des Anfangs als auch das anmutige Lied, das darauf folgte, ins Spiel bringt (eigentlich bereits entwickelt).
Die Entwicklung als solche beginnt sehr sanft und zeigt unter anderem die meisterhafte Schreibtechnik, die Bruckner sich so mühsam und gewissenhaft angeeignet hat. Hören Sie, wie er insbesondere das einleitende Hornsignal und das treibende Motiv einsetzt: Sie erklingen in Stretto, Umkehrung, Diminution, vielfältig kombiniert und führen zu einer dieser berühmten Passagen, die er im Choralstil für Blechbläser schreibt. Seine Beherrschung der Schreibtechnik verdankt er sicherlich zu einem großen Teil den strengen Fernkursen, die er bei dem anspruchsvollen Wiener Simon Sechter absolvierte, den Schubert bekanntermaßen auch konsultiert hat. Nach einer beruhigenden Pause beginnt die Reprise mit dem Hauptthema, nun für zwei Hörner in der Oktave, besonders geschmückt mit Melismata der Flöte und der gedämpften ersten Violinen ... dieser allerletzte Schlag (die gedämpften Violinen) bringt uns dazu, die gefürchtete Büchse der Pandora zu öffnen bekannt als »Bruckner-Problem« bezüglich der Fassungen seiner Sinfonien.
Hier wie anderswo ist die in der vorliegenden Aufnahme zu hörende Orchestrierung die der Fassung der Vierten von 1888, die der 1889 von Albert J. Gutmann erstellten und 1890 mit Korrekturen neu aufgelegten Ausgabe entspricht (siehe die Anmerkung von Jean-Philippe Tremblay unten). ). Sie unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht erheblich von den in den letzten 70 Jahren üblicherweise aufgeführten Fassungen: Die erste ist die Robert-Hass-Ausgabe von 1936 (korrigiert 1944), die auf dem Autograph der Fassung von 1878 / 80 basiert, die Bruckner ihm 1893 hinterlassen hatte Testament zur heutigen Österreichischen Nationalbibliothek; Die zweite ist die Leopold-Nowak-Ausgabe von 1953, deren Grundlage die Version ist, die Bruckner 1886 an den Dirigenten Anton Seidl aus New York schickte und die sich heute in den Sammlungen der Columbia University befindet. Von Bruckners Tod am 11. Oktober 1896 bis zur Haas-Ausgabe war die einzige verwendete und tatsächlich bekannte Ausgabe die Originalausgabe, die Bruckner zusammen mit seinen Schülern Ferdinand Löwe und Franz Schalk sowie aller Wahrscheinlichkeit nach Josef Schalk erstellt hatte. Diesen Männern wird seit langem vorgeworfen, Bruckner dazu manipuliert zu haben, seine Werke zu verändern. Doch obwohl es stimmte, dass der Komponist ab 1892–93 den Verdacht hegte, dass sie hinter seinem Rücken agierten (was sich immer mehr als richtig erwies), war die Arbeit an der Erstausgabe ab 1887 in diesem Fall eine Gemeinschaftsarbeit. Dies wird durch die Stichvorlage (Stichvorlage) bezeugt, auf der Bruckners »Regulierung« (wie er es nennt) der Arbeit seiner Schüler sowie andere wichtige Korrekturen von seiner eigenen Hand deutlich zu erkennen sind. Diese Fassung wurde sogar am 22. Januar 1888 erneut unter Richter aufgeführt, mit Bruckners Zustimmung und sorgfältiger Aufmerksamkeit während der Proben. Diese Stichvorlage-Version von 1888 wurde 2004 zusammen mit den Hass- und Nowak-Ausgaben in der maßgeblichen Ausgabe der kritischen Gesamtwerke veröffentlicht. Unter der Leitung von Benjamin Korstvedt entspricht es insgesamt der ersten Gutmann-Ausgabe und stellt sie wieder an einen legitimen Platz neben der autographen Fassung von 1878 / 80.
Gedämpfte Violinen... sie fehlten in der Fassung von 1878 / 80, dafür sind die Pauken hier aus der Passage verschwunden. Es muss dann dem Zuhörer überlassen bleiben, welche Version er oder sie bevorzugt (vielleicht auch mehrere). Erfreulicherweise beenden alle Fassungen den Satz prachtvoll mit dem ersten Ruf aller vier Hörner.
Der zweite Satz, ein Andante in c-Moll, bietet laut Bruckner lediglich »Gesang«. Das wusste er gut, da er es in seiner Kindheit, später mit Freunden im Stift St. Florian praktiziert und seine heiligen Werke so erhaben damit durchtränkt hatte. Ebenso erhaben ist die Art und Weise, wie er hier zwei zunehmend kunstvolle Manifestationen des Gesangs abwechselt. Das erste, zunächst von den Celli und später von den Hörnern und Bläsern gespielte Stück, manchmal in Spiegelform, ist bewundernswert umfangreich und umfasst eine breite Tonlage. Er erinnert in seinen Quintensprüngen und seinem punktierten Rhythmus, der das marschartige Tempo unterstreicht, an den ersten Satz. Das zweite Liedthema, weniger feierlich, aber geheimnisvoller, wird hauptsächlich von den Bratschen über einem Pizzicato-Marsch der anderen Streicher in einer Art fast gesprochenem Arioso mit seinen zögernden und fragenden Phrasen entfaltet. Die Antwort scheint immer in der Reprise des ersten Liedes zu liegen, um die Bruckner ein immer ausgefeilteres Klanggeflecht spinnt. Wie seine entfernten Wiener Vorgänger oft taten, beendet der Komponist den Satz mit der Dur-Tonika.
Der dritte Satz beginnt mit dem berühmten »Jagd«-Scherzo (wieder Bruckners Wort) mit der Überschrift »Bewegt« in B-Dur. Die Hörner, zu denen nach und nach Trompeten, Posaunen und Tuba gesellen, signalisieren mit einem Motiv, das gleichzeitig den treibenden »Brucknerschen« Rhythmus, den punktierten Auftakt und das absteigende Intervall (eine Quarte statt einer Quinte) kombiniert, dass die Jäger der Sache gewachsen sind ), alle abgeleitet vom ersten Satz. Die wogende Energie der Musik weicht gelegentlich ruhigeren Passagen, nimmt aber wieder zu, um dann im Ges-Dur-Trio mit der Überschrift »Gemächlich« (Friedlich) nachzulassen. Eine Art Ländler für die ruhende Jagdgesellschaft, in dem hauptsächlich Flöte und Klarinette gepaart sind. Das Scherzo wird anschließend in gekürzter Form wiederholt, endet dieses Mal jedoch in der lautstarken Freude des gesamten Orchesters.
An dieser Stelle ist auf die wichtigen, vor allem strukturellen Unterschiede zwischen der aktuellen und den Vorgängerversionen hinzuweisen. Zunächst hatte Bruckner sein Scherzo von 1874 verworfen, als er das Werk 1878 überarbeitete, und es durch dieses Jagd-Scherzo ersetzt, das er für die erste veröffentlichte Fassung erneut modifizierte. Abgesehen von der Paarung von Oboe und Klarinette im Trio und dem Fehlen der Piccoloflöte im Rest des Satzes enthält die Autographfassung von 1878 / 80 vor allem ein vollständiges Da capo des Scherzos, und die abschließende, ausgelassene Coda rundet es ab beide Male. Manche hielten das Weglassen von 65 Takten in der Gutmann-Ausgabe für ein höchst unglückliches Zugeständnis seitens Bruckners, doch er stimmte der Kürzung tatsächlich zu. Darüber hinaus hatte ein so bedeutender Kommentator wie Sir Donald Tovey Mitte der 1930er Jahre vor der Verbreitung der autographen Fassung von 1878 / 80 die »äußerst wirksame Abkürzung [...] als äußerst dramatisch« empfunden.
1878 hatte Bruckner das Finale von 1874 durch einen Satz mit dem Titel »Volksfest« ersetzt. Bereits im Dezember 1880 ersetzte er es erneut durch das uns heute bekannte Finale, das zusammen mit den anderen Sätzen aus dem Jahr 1878 bei der Uraufführung aufgeführt wurde. Überarbeitet ist dies das Finale der Gutmann-Ausgabe. Bedrohlich leiten die Streicher dieses »MäíŸig bewegt« mit einem B-Moll-Pedal ein, über dem Horn und Klarinette ihren traurigen Dreitonruf erklingen lassen. Nach einem extremen Spannungsanstieg, bei dem sich Rhythmen und Intervalle verdichten und fragmentieren, wird der Ruf zum Leitmotiv des gewaltigen Hauptthemas des Satzes. Dies markiert auch die Rückkehr der Grundtonart Es-Dur sowie der unheilvollen Note C-Dur, die den Beginn der Symphonie so verstört hatte und in den vorletzten Takten ihre letzten Akzente setzen wird, bevor das Werk seinen endgültigen Triumph feiert. Das Thema vereint auch die elementaren Elemente der Symphonie, nämlich den kurzen Auftakt, die Triole aus dem Scherzo und den berühmten Bruckner-Rhythmus in überhöhten Notenwerten. Der Höhepunkt dieses ersten Abschnitts führt ein neues Feature ein: einen Beckenschlag, der ein Zitat des Hornmotivs aus dem ersten Satz vorbereitet, das jetzt von allen Blechbläsern gespielt wird. Die Becken erklingen noch einmal zweimal, jedoch im Pianissimo, kurz vor der großen Coda. Dieses Instrument fehlt in den früheren Versionen des Werks, obwohl sich mehrere Dirigenten dafür entscheiden, den ersten Forte-Crash einzufügen. Die Piccoloflöte, die auch in den anderen Fassungen fehlt, färbt wiederum die lauteren Passagen.
Eine großzügige Gesangsperiode bietet die Gelegenheit, ein ausgesprochen romantisches Merkmal hervorzuheben, das nichts mit irgendeinem Programm zu tun hat (von dem dieser Satz fehlt), nämlich die Aneinandergrenzung der Dur- und Moll-Modi, ein Verfahren, das im Geiste Schubert so nahe kommt. Verschiedene Motive in den Themen dieser »Liedperiode« (übrigens auffällig mit anderen Themen des Werkes verknüpft) schwanken häufig zwischen Dur und Moll, was der Harmonie eine prismatische Qualität verleiht.
Es folgt ein ausgedehnter Durchführungsabschnitt, in dem das Kopfmotiv in vielen Gestalten auftritt und sich mit dem Hauptthema der Gesangsperiode verbindet, was die unglaublichen technischen Fähigkeiten zeigt, die Bruckner als Meister der Fugenorgelimprovisation erworben hat. Zur Überraschung (oder Bestürzung) derjenigen, die mit den heute üblichen Haas- oder Nowak-Ausgaben der Symphonie gut vertraut sind, verzichtet die Stichvorlage-Version von 1888 auf die Wiederholung des Hauptthemas des Finales und präsentiert einen modifizierten Übergang zur Reprise des zweiten Themas. Bruckner stimmte dieser Kürzung jedoch zu und hatte eine noch größere Kürzung in diesem Teil des Satzes gefordert, von Takt 351 bis 430, im selben Jahr, in dem das Werk in einer Wiederholungsaufführung unter der Leitung von Felix Mottl am 10. Dezember 1881 uraufgeführt wurde.
Dann beginnt die lange Coda, als Weg vom Selbstzweifel zur Verzückung. Es ist, als wolle sich Bruckner von der Angst befreien, die ihm der gnadenlose Wiener Kritiker Eduard Hanslick eingeflößt hatte, der seine eigenen Bedenken noch verstärkte, um endlich im Glanz öffentlicher Zustimmung und Dankbarkeit zu schwelgen. Es beginnt als murmelndes, oszillierendes Streichertremolo, über dem die Bläser in gleichzeitiger Gegenbewegung das Anfangsmotiv des Finales spielen, und beginnt dann mit einer melodischen Verlängerung, die sich schließlich in sich selbst zurückzieht, kurz bevor Trompeten und Becken diskret den Beginn des grandiosen Schlusscrescendo ankündigen. Hier steigen die Streicherschwingungen schrittweise in ekstatischen Doppelvorschlägen an und erreichen im Keimrhythmus der Symphonie ihren vollen Orchesterhöhepunkt.
© Jacques-André Houle
- Tracklisting
- Details
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
Sinfonie Nr. 4 Es-Dur "Romantische" (1. Fassung 1874)
- 1 1. Satz: Bewegt, nicht zu schnell
- 2 2. Satz: Andante quasi allegretto
- 3 3. Satz: Scherzo. Bewegt - Trio. Nicht zu schnell. Keinesfalls schleppend - Scherzo
- 4 4. Satz: Finale. Bewegt, doch nicht zu schnell
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