5 von 5
bluenote
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Alter:
55 bis 65
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Geschlecht:
Männlich:
03. Juli 2014
Hohes Niveau, hochaktuell
Manchmal ist die Doppelrezension der einzige Weg, einer Publikation gerecht zu werden. So auch hier, wenn zwei aktuelle Werke zum ersten Weltkrieg einer Würdigung unterzogen werden. Herfried Münkler und Jörn Leonhard haben Gesamtdarstellungen zum ersten Weltkrieg in diesem Jubiläumsjahr vorgelegt. Beide sind mit über 790 (Münkler) und über 1000 Textseiten (Leonhard) nicht für den schnellen Überblick geeignet. Aber für die umfassende Information zur Thematik. Es sind gerade die unterschiedlichen Herangehensweisen, die dazu führen, beide Werke uneingeschränkt zu empfehlen und zu lesen. Denn inhaltlich ergänzen sich Beide, trotz zwangsläufiger Redundanzen, kongenial. Natürlich zeichnen Beide die Schlachtengeschichte nach. Aber Münkler, der Politikwissenschaftler ist der klar analytischere Autor, der sich zwar weitestgehend auf die Perskeptive der Mittelmächte beschränkt, aber stärker Hypothesen geleitet vorgeht als Leonhard, der Historiker. Münkler stellt die nahezu sakrosankte Fritz Fischer Hyopthese in Frage. Und es gelingt ihm nach Jahrzehnten (endlich, möchte man sagen) ein perspektivischer Durchbruch. Und grenzt sich ebenso von den „Schlafwandlern“ Clarkes ab (Ein Ansatz, der ohnehin für zu leicht befunden ist). Dieses hohe Niveau analytischer Betrachtung hält Münkler bis zum Ende aufrecht und es gelingen ihm bemerkenswerte Neuansätze, nicht nur was die Julikrise angeht.
Leonhard dagegen ist sehr viel stärker deskriptiv ausgerichtet. Sein Buch alleine gelesen, man würde Fragestellungen zum Thema auf Dauer vermissen. Aber Leonhards Werk ist weit mehr als eine gelungene Deskription der Jahre 1914-18. Ob der Detailfülle halte ich den Begriff der „Kulturgeschichte“ für angemessen. Tatsächlich lässt Leonhard keinen Bereich aus und so hat der Leser nicht nur Einblick etwa in die Verfassungsgeschichte der USA oder in die Biographie von D.H. Lawrence, nein auch die Rezeption des Krieges z.B. in Kunst und Theater in den beteiligten Ländern werden behandelt. Dabei geht Leonhard durchaus chronologisch vor, und behandelt unter einem Themenpunkt jeweils das Geschehen bei Mittelmächten wie Alliierten.
Leonhard zeichnet einen ganzen Kosmos, während Münkler sich auf die analytische Darstellung konzentriert. Und hierin liegt denn auch die Stärke: Beide Bücher synoptisch gelesen informieren den Leser in einem Ausmaß und auf einem Niveau der Aktualität, das seinesgleichen sucht.