Franz Schubert: Symphonie Nr.9 C-Dur "Die Große"
Symphonie Nr.9 C-Dur "Die Große"
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
- Künstler: Radio-Symphonieorchester Wien, Bertrand de Billy
- Label: Oehms, DDD, 2003
- Bestellnummer: 3060650
- Erscheinungstermin: 1.1.2012
Bertrand de Billy und das Radio Sinfonie Orchester Wien wurden nach der Aufführung von Schuberts C-Dur Sinfonie von der Kritik gefeiert: »de Billy führte sein Orchester im Musikverein Wien zu einem triumphalen Erfolg!« (W. Sinkovicz, »Die Presse« am 17. November 2002)
»Künstler und Kunstfreunde vereinigen sich zu ihrem Preise«
Einige Gedanken zu Schuberts großer C-Dur Symphonie
Es gibt Werke im Kanon der klassischen Symphonik, die so bekannt sind, dass sie kaum ein Musikfreund wirklich kennt: Mozarts große g-moll Symphonie gehört ebenso dazu wie Beethovens c-moll Symphonie oder eben Schuberts große C-Dur Symphonie, mit der wir uns hier beschäftigen. Das soll nicht heißen, man wäre mit den Klängen nicht vertraut. Im Gegenteil! Irgendwie hat man das Gefühl, die Rhythmen und Melodien immer schon gehört zu haben. Trotzdem findet eine Auseinandersetzung mit dem musikalischen Material und eine wirkliche Befragung der Intentionen des Komponisten recht selten statt, und diesen Vorwurf kann man auch vielen der zahllosen Interpreten nicht ganz ersparen, die diese berühmtesten aller Orchesterwerke gedankenlos aufs Programm setzen und sich – wahrscheinlich auch zu Recht – auf ihre äußerliche Wirkung verlassen.
Nun ist es wohl sinnlos zu betonen, dass gerade in diesen Gipfelwerken der Symphonik alle Emphase und Verzweiflung, Utopie und Hoffnungslosigkeit gleichermaßen drinnen stecken, die die Komponisten zur Schöpfung getrieben haben.
Die Entwicklung der klassischen Symphonik von Haydn bis hinauf zu Gustav Mahler erscheint uns heute als eine logische Linie, die so und nicht anders verlaufen musste. Auf die Kontinuitäten wird in jedem Programmheft zur Genüge hingewiesen, und die Komponisten selbst sahen sich wohl auch in einer Nachfolge ihrer großen Vorgänger. Über den Zusammenhang zwischen Beethoven und Schubert muss hier nicht gesprochen werden. Zum Einfluss von Schubert auf Bruckner oder Mahler haben diese Komponisten selbst sich eindeutig geäußert.
Und trotzdem – so klar sind die Verbindungen nicht, so selbstverständlich verlaufen auch die Linien nicht. Und vor allem, wenn man die Musik wirklich liest, wenn auf das zurückgegangen wird, was der Komponist wirklich hinterlassen hat. Und wenn man in der Partitur nicht nur das heraus liest, was ohnehin offenkundig da steht, sondern sich auch bemüht, das zu lesen und umzusetzen, was nicht aufgeschrieben werden kann, aber trotzdem unabdingbar dazu gehört, sehen die Werke doch vielmals völlig anders aus als ihr Jahrzehnte- oder gar Jahrhunderte lang tradiertes Klischee.
Bei den Symphonien von Schubert war der Anstoß zu solch einer Auseinandersetzung wohl die Herausgabe der Urtextausgaben, die gerade bei diesem Komponisten erstaunlich spät geschah. Der Grund mag wohl darin gelegen haben, dass die von Johannes Brahms herausgegebenen Hauptwerke, darunter eben auch unsere hier vorliegende C-Dur Symphonie, als absolut authentische und bestimmende Grundlage galten. Der Verdienst der Brahmsschen Edition ist bekannt, die Gründe, die zu den Eingriffen zur damaligen Zeit führten, waren höchst ehrenwert und sollten alleine der Verbreitung des Schubertschen Œuvres dienen. Mendelssohn, der Dirigent der vermutlichen Uraufführung dieses Werkes (1839 in Leipzig), Robert Schumann, dessen Kritik mit dem in unserer Überschrift verwendeten Zitat abschließt und eben Johannes Brahms als Herausgeber vereinigten sich in einer einmaligen Verbindung großer Komponisten zur posthumen Förderung ihres so jung verstorbenen genialen Kollegen. Sie und spätere Dirigenten meinten, den Zeitgeschmack besser bedienen zu müssen, indem sie vermeintliche Ungeschicklichkeiten stillschweigend korrigierten und dynamische Extreme im nicht korrigierten Manuskript milderten.
Dank der modernen Forschung wissen wir heute, dass Schuberts Eigenarten sowohl harmonischer als auch dynamischer Natur waren, besonders aber gewisse Härten und Farben in der Instrumentation durchaus in seiner Intention lagen, und es demnach an der Zeit schien, die Werke in ihrer ursprünglichen Gestalt vorzulegen und aufzuführen. Erinnern wir uns noch einiger empörter Protestrufe unmittelbar nach der ersten Aufführung der 4. Symphonie durch Nikolaus Harnoncourt im Rahmen eines philharmonischen Abonnementkonzertes in Wien. Einige alteingesessene Abonnenten, aber auch jugendliche Hitzköpfe meinten, Harnoncourt der Schändung des Schubertschen Erbes bezichtigen zu müssen. Auch einige Kritiker konnten sich damals noch nicht mit der Tatsache abfinden, dass zwischen dem, wie man ein Werk zu kennen glaubt und dem, wie es in seiner tatsächlichen Gestalt vom Komponisten vorgelegt wurde, ein gravierender Unterschied bestehen kann. Dies beeinflusst natürlich in letzter Konsequenz auch jede Interpretation, die ja immer nur eine subjektive sein kann. Trotzdem ist die Frage entscheidend, von welcher Grundlage man ausgeht.
Die vorliegende Aufnahme basiert auf der Bärenreiter Urtext-Edition; das Vorwort verweist allein schon auf die Probleme der Datierung der Symphonie, die man nun endlich anhand von Papieranalysen auf das Jahr 1825 festlegen kann; die von Schubert handschriftlich vorhandene Datierung mit 1828 auf dem Original, das sich seit seinen Lebzeiten bis zum heutigen Tag im Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindet und deren Mitglied Schubert zum Zeitpunkt der Übereignung 1826 war, lässt sich hingegen nicht mit letzter Klarheit deuten. Fest steht lediglich, dass Schuberts Symphonie, wie es so oft bis in die jüngste Vergangenheit hieß, nicht »abgelehnt« wurde, sondern sie wurde lediglich zurückgestellt, da sie für eine Probeaufführung mit dem Orchester des an die Gesellschaft der Musikfreunde angeschlossenen Konservatoriums als zu schwierig erachtet wurde.
Auch die Legenden um Schuberts letzte Zeit sind heute vielfach widerlegt; er begann als Komponist durchaus breiteren Erfolg zu haben, es begann ihm finanziell besser zu gehen, und er hatte durchaus das Selbstbewusstsein eines Komponisten, der sich in einer großen Tradition sah. Die niederschmetternde Wirkung, die die angebliche Ablehnung der Symphonie auf ihn gehabt haben soll, gehört eher in den Bereich der Dreimäderlhaus-Biographien. Noch hartnäckiger als die Ablehnung der Symphonie durch die Gesellschaft der Musikfreunde klebt ihr das Etikett der »göttlichen Längen« an. Will sagen: sehr schön, aber zu lang. Schon die Zeitgenossen der wahrscheinlichen Uraufführung durch Mendelssohn vermerkten die Länge des Werkes respektvoll kritisch und verglichen natürlich mit Beethovens finaler symphonischer Äußerung. Nahe liegend, aber auch etwas oberflächlich.
Tatsächlich jedoch birgt bei genauerer Analyse die große C-Dur Symphonie Schuberts Probleme in sich, die die Zukunft der klassischen Symphonie entscheidend beeinflussen sollten und, wenn man will, von denen sie sich auch nicht mehr wirklich erholte.
Merkwürdiger Weise betraf dies kaum den Kreis der »unterstützenden« Kollegen, die Zeitgenossen Schuberts waren, sondern die nächsten Generationen. Bruckner und Mahler – ohne Schubert schwer denkbar – knüpften formal beim Opus summum an – und das bedeutete auf weitere Sicht die Auflösung der Form der klassischen Symphonie (obwohl gerade Bruckner sein Leben lang gerade um diese rang).
Auch Schuberts Bemühungen um die Form sind evident. Bekannt sind sein erneuter Kompositionsunterricht gegen Lebensende bei Simon Sechter (der dann auch noch Bruckner unterweisen sollte), aber die Analyse der Symphonie zeigt auch, dass die Gedanken der Romantik wohl bei niemandem so klar im Widerspruch zur tradierten Form standen wie gerade bei Schuberts letzter Symphonie. Tatsächlich sind die Formen der Sätze außergewöhlich. Nur dass die Länge sich eigentlich klar aus dem »inhaltlichen«, ja man könnte eigentlich richtiger sagen ›poetischen‹ Konzept entwickelt. Dass dies für die Zeitgenossen völlig ungewöhnlich erscheinen musste, versteht man. Dass es unreflektiert noch nach über 175 Jahren nachgebetet wird, erstaunt eher.
In Marie-Agnes Dittrichs bemerkenswerter Analyse (F. Schuberts Symphonien, München 2000) wird zu recht besonders darauf hingewiesen, dass z. B. der gewaltige, fast 700 Takte lange erste Satz keine einzige Pause enthält, in der alle Stimmen gleichzeitig schweigen, aber auch dass die Reprise nach damaligem Formverständnis über Gebühr erweitert und ausgedehnt wurde. Die Form wurde zu Gunsten der inneren Motorik und des überbordenden Ausdruckswillens bewusst aufgegeben. Damit ist das Programm für den weiteren Verlauf dieser Symphonie, aber auch für den Verlauf der klassischen Symphonie bis hinein ins 20. Jahrhundert vorgezeichnet. Die Form wird dem Ausdruckswillen unterliegen.
Nicht nur in der vorliegenden Aufnahme, auch bereits in den vorangegangenen Konzertaufführungen hat der Dirigent sich entschlossen, sämtliche von Schubert vorgeschriebenen Wiederholungen spielen zu lassen. Hat man diese in der Vergangenheit meist aus Angst vor der ungewohnten Länge gemeint, streichen zu müssen, so stellt sich nun heraus, dass gerade die vollständige Architektur erst das wirkliche Bild der Schubertschen Gedanken zu transportieren vermag. – Michael Lewin
(OehmsClassics)
»Künstler und Kunstfreunde vereinigen sich zu ihrem Preise«
Einige Gedanken zu Schuberts großer C-Dur Symphonie
Es gibt Werke im Kanon der klassischen Symphonik, die so bekannt sind, dass sie kaum ein Musikfreund wirklich kennt: Mozarts große g-moll Symphonie gehört ebenso dazu wie Beethovens c-moll Symphonie oder eben Schuberts große C-Dur Symphonie, mit der wir uns hier beschäftigen. Das soll nicht heißen, man wäre mit den Klängen nicht vertraut. Im Gegenteil! Irgendwie hat man das Gefühl, die Rhythmen und Melodien immer schon gehört zu haben. Trotzdem findet eine Auseinandersetzung mit dem musikalischen Material und eine wirkliche Befragung der Intentionen des Komponisten recht selten statt, und diesen Vorwurf kann man auch vielen der zahllosen Interpreten nicht ganz ersparen, die diese berühmtesten aller Orchesterwerke gedankenlos aufs Programm setzen und sich – wahrscheinlich auch zu Recht – auf ihre äußerliche Wirkung verlassen.
Nun ist es wohl sinnlos zu betonen, dass gerade in diesen Gipfelwerken der Symphonik alle Emphase und Verzweiflung, Utopie und Hoffnungslosigkeit gleichermaßen drinnen stecken, die die Komponisten zur Schöpfung getrieben haben.
Die Entwicklung der klassischen Symphonik von Haydn bis hinauf zu Gustav Mahler erscheint uns heute als eine logische Linie, die so und nicht anders verlaufen musste. Auf die Kontinuitäten wird in jedem Programmheft zur Genüge hingewiesen, und die Komponisten selbst sahen sich wohl auch in einer Nachfolge ihrer großen Vorgänger. Über den Zusammenhang zwischen Beethoven und Schubert muss hier nicht gesprochen werden. Zum Einfluss von Schubert auf Bruckner oder Mahler haben diese Komponisten selbst sich eindeutig geäußert.
Und trotzdem – so klar sind die Verbindungen nicht, so selbstverständlich verlaufen auch die Linien nicht. Und vor allem, wenn man die Musik wirklich liest, wenn auf das zurückgegangen wird, was der Komponist wirklich hinterlassen hat. Und wenn man in der Partitur nicht nur das heraus liest, was ohnehin offenkundig da steht, sondern sich auch bemüht, das zu lesen und umzusetzen, was nicht aufgeschrieben werden kann, aber trotzdem unabdingbar dazu gehört, sehen die Werke doch vielmals völlig anders aus als ihr Jahrzehnte- oder gar Jahrhunderte lang tradiertes Klischee.
Bei den Symphonien von Schubert war der Anstoß zu solch einer Auseinandersetzung wohl die Herausgabe der Urtextausgaben, die gerade bei diesem Komponisten erstaunlich spät geschah. Der Grund mag wohl darin gelegen haben, dass die von Johannes Brahms herausgegebenen Hauptwerke, darunter eben auch unsere hier vorliegende C-Dur Symphonie, als absolut authentische und bestimmende Grundlage galten. Der Verdienst der Brahmsschen Edition ist bekannt, die Gründe, die zu den Eingriffen zur damaligen Zeit führten, waren höchst ehrenwert und sollten alleine der Verbreitung des Schubertschen Œuvres dienen. Mendelssohn, der Dirigent der vermutlichen Uraufführung dieses Werkes (1839 in Leipzig), Robert Schumann, dessen Kritik mit dem in unserer Überschrift verwendeten Zitat abschließt und eben Johannes Brahms als Herausgeber vereinigten sich in einer einmaligen Verbindung großer Komponisten zur posthumen Förderung ihres so jung verstorbenen genialen Kollegen. Sie und spätere Dirigenten meinten, den Zeitgeschmack besser bedienen zu müssen, indem sie vermeintliche Ungeschicklichkeiten stillschweigend korrigierten und dynamische Extreme im nicht korrigierten Manuskript milderten.
Dank der modernen Forschung wissen wir heute, dass Schuberts Eigenarten sowohl harmonischer als auch dynamischer Natur waren, besonders aber gewisse Härten und Farben in der Instrumentation durchaus in seiner Intention lagen, und es demnach an der Zeit schien, die Werke in ihrer ursprünglichen Gestalt vorzulegen und aufzuführen. Erinnern wir uns noch einiger empörter Protestrufe unmittelbar nach der ersten Aufführung der 4. Symphonie durch Nikolaus Harnoncourt im Rahmen eines philharmonischen Abonnementkonzertes in Wien. Einige alteingesessene Abonnenten, aber auch jugendliche Hitzköpfe meinten, Harnoncourt der Schändung des Schubertschen Erbes bezichtigen zu müssen. Auch einige Kritiker konnten sich damals noch nicht mit der Tatsache abfinden, dass zwischen dem, wie man ein Werk zu kennen glaubt und dem, wie es in seiner tatsächlichen Gestalt vom Komponisten vorgelegt wurde, ein gravierender Unterschied bestehen kann. Dies beeinflusst natürlich in letzter Konsequenz auch jede Interpretation, die ja immer nur eine subjektive sein kann. Trotzdem ist die Frage entscheidend, von welcher Grundlage man ausgeht.
Die vorliegende Aufnahme basiert auf der Bärenreiter Urtext-Edition; das Vorwort verweist allein schon auf die Probleme der Datierung der Symphonie, die man nun endlich anhand von Papieranalysen auf das Jahr 1825 festlegen kann; die von Schubert handschriftlich vorhandene Datierung mit 1828 auf dem Original, das sich seit seinen Lebzeiten bis zum heutigen Tag im Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindet und deren Mitglied Schubert zum Zeitpunkt der Übereignung 1826 war, lässt sich hingegen nicht mit letzter Klarheit deuten. Fest steht lediglich, dass Schuberts Symphonie, wie es so oft bis in die jüngste Vergangenheit hieß, nicht »abgelehnt« wurde, sondern sie wurde lediglich zurückgestellt, da sie für eine Probeaufführung mit dem Orchester des an die Gesellschaft der Musikfreunde angeschlossenen Konservatoriums als zu schwierig erachtet wurde.
Auch die Legenden um Schuberts letzte Zeit sind heute vielfach widerlegt; er begann als Komponist durchaus breiteren Erfolg zu haben, es begann ihm finanziell besser zu gehen, und er hatte durchaus das Selbstbewusstsein eines Komponisten, der sich in einer großen Tradition sah. Die niederschmetternde Wirkung, die die angebliche Ablehnung der Symphonie auf ihn gehabt haben soll, gehört eher in den Bereich der Dreimäderlhaus-Biographien. Noch hartnäckiger als die Ablehnung der Symphonie durch die Gesellschaft der Musikfreunde klebt ihr das Etikett der »göttlichen Längen« an. Will sagen: sehr schön, aber zu lang. Schon die Zeitgenossen der wahrscheinlichen Uraufführung durch Mendelssohn vermerkten die Länge des Werkes respektvoll kritisch und verglichen natürlich mit Beethovens finaler symphonischer Äußerung. Nahe liegend, aber auch etwas oberflächlich.
Tatsächlich jedoch birgt bei genauerer Analyse die große C-Dur Symphonie Schuberts Probleme in sich, die die Zukunft der klassischen Symphonie entscheidend beeinflussen sollten und, wenn man will, von denen sie sich auch nicht mehr wirklich erholte.
Merkwürdiger Weise betraf dies kaum den Kreis der »unterstützenden« Kollegen, die Zeitgenossen Schuberts waren, sondern die nächsten Generationen. Bruckner und Mahler – ohne Schubert schwer denkbar – knüpften formal beim Opus summum an – und das bedeutete auf weitere Sicht die Auflösung der Form der klassischen Symphonie (obwohl gerade Bruckner sein Leben lang gerade um diese rang).
Auch Schuberts Bemühungen um die Form sind evident. Bekannt sind sein erneuter Kompositionsunterricht gegen Lebensende bei Simon Sechter (der dann auch noch Bruckner unterweisen sollte), aber die Analyse der Symphonie zeigt auch, dass die Gedanken der Romantik wohl bei niemandem so klar im Widerspruch zur tradierten Form standen wie gerade bei Schuberts letzter Symphonie. Tatsächlich sind die Formen der Sätze außergewöhlich. Nur dass die Länge sich eigentlich klar aus dem »inhaltlichen«, ja man könnte eigentlich richtiger sagen ›poetischen‹ Konzept entwickelt. Dass dies für die Zeitgenossen völlig ungewöhnlich erscheinen musste, versteht man. Dass es unreflektiert noch nach über 175 Jahren nachgebetet wird, erstaunt eher.
In Marie-Agnes Dittrichs bemerkenswerter Analyse (F. Schuberts Symphonien, München 2000) wird zu recht besonders darauf hingewiesen, dass z. B. der gewaltige, fast 700 Takte lange erste Satz keine einzige Pause enthält, in der alle Stimmen gleichzeitig schweigen, aber auch dass die Reprise nach damaligem Formverständnis über Gebühr erweitert und ausgedehnt wurde. Die Form wurde zu Gunsten der inneren Motorik und des überbordenden Ausdruckswillens bewusst aufgegeben. Damit ist das Programm für den weiteren Verlauf dieser Symphonie, aber auch für den Verlauf der klassischen Symphonie bis hinein ins 20. Jahrhundert vorgezeichnet. Die Form wird dem Ausdruckswillen unterliegen.
Nicht nur in der vorliegenden Aufnahme, auch bereits in den vorangegangenen Konzertaufführungen hat der Dirigent sich entschlossen, sämtliche von Schubert vorgeschriebenen Wiederholungen spielen zu lassen. Hat man diese in der Vergangenheit meist aus Angst vor der ungewohnten Länge gemeint, streichen zu müssen, so stellt sich nun heraus, dass gerade die vollständige Architektur erst das wirkliche Bild der Schubertschen Gedanken zu transportieren vermag. – Michael Lewin
(OehmsClassics)
- Tracklisting
- Details
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
Sinfonie Nr. 8 (alte Nr. 9) C-Dur D 944 "Große C-Dur Sinfonie"
- 1 1. Andante - Allegro non troppo
- 2 2. Andante con moto
- 3 3. Scherzo: Allegro vivace - Trio
- 4 4. Allegro vivace